Georg Friedrich Händel

Acis und Galatea

Pastoral

Personen

Acis (Tenor)
Galatea (Sopran)
Damon (Tenor oder Sopran)
Polyphemus (Bass)
Chor

Erster Akt.

Eine ländliche Gegend mit Felsen, Baumgruppen und einem Flusse. Acis und Galatea, bei einer Quelle gelagert; Chor der Nymphen und Schäfer, über die Landschaft zerstreut; und Polyphemus, auf einem Berge sitzend.

No. 1. Sinfonia.

No. 2. Chor.

O! den Fluren sei der Preis!
Sang und Tanz in frohem Kreis,
Fröhlich, selig, frisch und frei,
Spielt und lacht den Tag vorbei.
Für uns erglänzt die Au‘,
Für uns bereift vom Thau,
Für uns versüsst die Luft
Der Rose frischer Duft.
Uns freut der Horen Tanz,
Uns lacht des Sommers Glanz,
Des Lenzes milder Schein,
Des Herbstes Frucht und Wein.
O! den Fluren sei der Preis!
Sang und Tanz in frohem Kreis,
Fröhlich, selig, frisch und frei,
Spielt und lacht den Tag vorbei.

No. 3. Recitativ und Arie.

GALATEA Sopran.
Du dunkler Hain, du farb'ge Fläche!
Sprudelquell und Perlenbäche,
Du bunte Herrlichkeit der Au'n,
Reizlos ist mir dein Reiz zu schau'n;
Zu machtlos, zu stillen trüben Muth,
Der Sehnsucht Qual, der Liebe Glut.

Fort, du süsser Sängerchor!
Dein schmetternd Lied
Ruft im Gemüth
Der Liebe Pein hervor.
Stillt den Sang und fort von hier,
Bringt meinen Acis her zu mir!

No. 4. Arie.

ACIS Tenor.
Wo find‘ ich sie, die mir so lieb?
Geleitet mich, ihr Götter dieser Fluren!
O sagt mir, wisst ihr, wo sie blieb?
Saht ihr im Thal, im Walde ihre Spuren?

No. 5. Recitativ und Arie.

DAMON Tenor oder Sopran.
Bleib, Schäfer, bleib!
Sieh‘, wie dir dort die Heerde irrend streift!
Was meint diess schwermuthsvolle Lied?
Verstummt ist deiner Flöte Spiel.

Schäfer, lass dein Liebeswerben!
Achtlos suchst du dein Verderben;
Bleib bei uns und unserm Tanz.
Spar‘ dein Leiden dir auf morgen,
Heute halt‘ dich frei von Sorgen,
Frei von Kummer gar und ganz.

No. 6. Recitativ und Arie.

ACIS.
O, seht sie dort! o Galatea, blicke her zu mir:
Sieh‘, wie vor dir dein treuer Acis kniet!
Liebe sitzt gaukelnd ihr im Aug‘
Und strahlet tödtliche Lust;
Liebe sitzt schaukelnd auf ihrer Brust
Und singend in ihrem Hauch!
Liebe umstrahlt mit Anmuth
Der holden Lippen Reiz;
Es wallt, es wogt ihr Busen
Vom Sehnen süssen Leid's.

N. 7. Recitativ und Arie.

GALATEA.
O! kenntest du die Qual einsamer Liebe,
Du weiltest nie von Galatea fern.
So wie die Taube
In einsamer Laube
Nach ihrem Trauten klagt:
Kehrt er zurück,
Ist sie voll Glück
Und kos't so lang‘ es tagt.
Wohlig Kirren,
Wonnig Girren
Ruft noch summend durch die Nacht,
Summend durch die Ruh‘ der Nacht.

No. 8. Duett.

GALATEA UND ACIS.
Selig wir!
GALATEA.
Wie glänzt dein Aug‘!
ACIS.
Wie strahlt dein Reiz!
GALATEA.
Aller Knaben Liebster du!
ACIS.
Aller Nymphen Schönste du!
BEIDE.
Du all mein Heil, du all mein Glück!
Selig wir!

No. 9. Chor.

Selig wir!
Wie glänzt sein Aug‘, wie strahlt ihr Reiz!
Selig wir!
Zweiter Akt.

No. 10. Chor.

Armes Paar! ach, hart Geschick,
Das euch bedroht! unstetes Glück!
Armes Paar! ach, eitler Wahn!
O seht das ungeheuer nah'n!
Seht, wie mächt'gen Schritts er strebt!
Der Berg erdröhnt, der Wald erbebt;
Es flieht die Welle, die bang zum Strande prallt:
Horch, wie sein Donnerruf erschallt!

No. 11. Recitativ.

POLYPHEMUS Bass.
O Schmach – o Wuth – o Scham – o Glut!
Der schmächt'ge Gott hat mir das Herz durchbohrt.
Du treue Pinie,
Du meiner Schritte Stab, hinweg mit dir!
Bringt mir ein hundert Rohre gross und weit
Zum Flötenspiel für meinen mächt'gen Hauch;
Und sanft in Zaubertönen sing‘ ich ihr,
Der süssen Galatea, meinen Preis.

No. 12. Arie.

POLYPHEMUS.
O rosig wie die Pfirsche,
O süsser als die Kirsche,
O Nymphe, klar
Wie Mondscheinnacht,
Flink wie die schlanken Hirsche!
Reif wie die vollen Trauben
Und munter wie die Tauben;
Doch ungezähmt
Wie Flammenglut,
Und wild wie Sturmesschnauben.

No. 13. Recitativ.

POLYPHEMUS.
Warum, Schönste, willst du fliehen,
Meinen Armen dich entziehen?
GALATEA.
Ja, läd't zu seinem Mahl der Leu,
So flieht das Lamm in kluger Scheu.
POLYPHEMUS.
Sieh‘, Polyphemus, gross wie Zeus,
Weihet Liebe dir und Preis,
Läd't zu seinem Felspalast,
Seiner Heerde dich zu Gast,
Zu der Traube süssem Blut,
Zu der Pflaume dunkler Glut,
Aepfeln, die erwartend stehn,
Sich von dir gepflückt zu sehn.
GALATEA.
Zur rohen Kost bei deinem Mahle,
Zu Menschenblut aus deiner Schale!
Geh‘! lad‘ dir einen andern Gast:
Mir ist so Wirth, wie Fest verhasst.

No. 14. Arie.

POLYPHEMUS.
Treffe Fluch diess Liebesschmachten,
All mein Blut wallt in Empörung!
Nur nach Rache sei mein Trachten,
Nur nach Rache und Zerstörung.

No. 15. Arie.

DAMON.
Willst du dir die Nymphe gewinnen,
Sei gut und freundlich all dein Beginnen:
Leiden ist der Liebe Loos.
Schönheit mit Gewalt bezwingen,
Kann nur halbes Heil dir bringen,
Lebenlos und liebelos.

No. 16. Recitativ und Arie.

ACIS.
Das Ungethüm weckt meine Wuth:
Schwach wie ich bin, ich fass‘ ihn an!
Entflammt bin ich von deinem Reiz,
Der Liebe Gott verleiht mir Kraft.
Lass mich zum Kampf,
Und wär's mein Verderben!
Ist Schönheit der Preis,
Wer fürchtet zu sterben?
Dich im Sieg zu erwerben,
Wie glüht mir der Muth,
Im Kampf dich zu schirmen
Mit Leben und Blut.

No. 17. Arie.

DAMON.
Bedenke, o Knabe,
Wie flüchtig der Reiz ist,
Zu schmeicheln dem Wahn,
Der nach Liebe sich sehnt!
Die Freuden der Liebe
Sie rauschen vorüber,
Ihr Leiden ist lang,
Wie das Leben sich dehnt.

No. 18. Recitativ.

GALATEA.
Bleib, o bleib, mein süsser Freund,
Trau‘ auf meine Lieb‘ und Treu‘,
Meine Treu‘ und jene Macht,
Die über treue Liebe wacht!

No. 19. Terzett.

ACIS UND GALATEA.
Dem Berge mag die Heerde,
Dem Wald die Turteltaube,
Dem Quell die Nymph‘ entsagen,
Doch ich der Liebe nie!
POLYPHEMUS.
Rache! Rache! Wuth! o Grimm!
Ich trag‘ es länger nicht!
ACIS UND GALATEA.
Der Tag ist nicht der Biene,
Die Nacht der Nachtigall
So hold nicht und so lieblich,
Wie dieses Lächeln mir.
POLYPHEMUS.
Flieg‘ aus, geflügeltes Geschoss!
Stirb, verruchter Acis, stirb!

No. 20. Recitativ.

ACIS.
Hilf, Galatea! helft, ihr Götter all‘!
O nehmt mich Todten auf in euer Haus.

No. 21. Chor.

Klagt all‘ ihr Musen! wein‘ alles Volk!
Stimmt euren Sang zum Jammerruf!
Klagt, klagt, und Wehgeschrei erfüll‘ die Luft:
Ach, der holde Acis ist nicht mehr!

No. 22. Galatea und Chor.

GALATEA.
O, ist mein Acis nun dahin,
Vom Felsgeschoss zerschmettert mir!
CHOR.
Ach, Galatea, weine nicht!
Beklag‘ nicht den du kannst befrei'n.
GALATEA.
Ist der holde Knabe todt,
Weil er so treu, so lieb mir war?
CHOR.
Ach, Galatea, weine nicht!
Beklag‘ nicht den du kannst befrei'n;
Sprich über ihn dein Zauberwort,
Die Göttin heilet leicht den Schmerz.
GALATEA.
Sage, welchen Trost du meinst?
Denn dunkle Verzweiflung überschattet mich.
CHOR.
Verwandten Göttern mach‘ ihn gleich,
Zum Silberquell verwandle ihn,
Und unser Thal nun sei sein Reich.

No. 23. Recitativ und Arie.

GALATEA.
So sei's: so üb‘ ich meine Zaubermacht;
Sei du unsterblich, bist du auch nicht mein!
Herz, der Liebe süsser Born,
Sei fortan ein Silberquell!
Purpur sei nicht mehr dein Blut,
Gleite gleich krystall'ner Flut.
Fels, entschliess‘ den dunkeln Schooss!
Der Sprudelquell, sieh‘! er strömt;
Und er rauscht das Thal entlang,
Murmelnd seinen Liebessang.

No. 24. Chor.

Galatea, stille den Schmerz,
Acis ward zum Gotte nun!
Sieh‘, er erhebt sich auf vom Bett,
Sieh‘, ihm umschlingt ein Kranz das Haupt.
Heil dir, holder rauschender Strom,
Hirtenfreude, Musenlust!
Ströme fort das Thal entlang,
Murmelnd deinen Liebessang.