Giacomo Meyerbeer

Robert der Teufel

Romantische Oper in fünf Aufzügen

Personen

Der König von Sicilien

Isabelle, Prinzessin von Sicilien, seine Tochter (Sopran)

Der Herzog Robert von der Normandie (Tenor)

Bertram, sein Freund (Baß)

Der Prinz von Granada, ein Maure

Raimbaud, ein junger Landmann (Tenor),
Alice, ein junges Landmädchen, Raimbauds Braut (Mezzosopran), aus der Normandie

Alberti, ein sicilianischer Ritter (Bariton)

Ein Waffenherold, Phantom Bertrams (Bariton)

Helene, die Oberin der Nonnen

Der Majordomus, der Ceremonienmeister des Königs. Der Erzbischof von Palermo. Weihebischöfe. Priester. Chorknaben. Der Geheimschreiber Roberts. Maurenritter. Maurenpagen. Ein Mohrenknabe. Ritter. Hofdamen. Pagen. Geharnischte. Waffenherolde. Herolde. Bannerträger. Trabanten. Wachen. Knappen. Pilger. Nonnen Landleute. Flüchtlinge. Zigeuner. Volk. Dämonen. Furien

Ort der Handlung: Sicilien, Palermo und Umgegend.

Im ersten Aufzug der Lido von Palermo mit dem Hafen im Hintergrunde. Im zweiten Aufzug der Thronsaal des Königs von Sicilien. Im dritten Aufzug öde Felsenschlucht. Dann eine Halle in den Ruinen des Klosters der heiligen Rosalie. Im vierten Aufzug ein Saal bei der Prinzessin Isabelle von Sicilien. Im fünften Aufzug Vorhalle der Kathedrale in Palermo.

Zeit: 1250.

Rechts und links vom Darsteller.

Ouverture.

Erster Aufzug.

Nr. 1. Introduktion und Chor.

(Der Vorhang hebt sich im zehnten Takte.)

Der Lido von Palermo mit dem Hafen im Hintergrunde. Links vorn Roberts prächtiges großes Zelt, davor ein reich behangener Tisch mit ebensolchen Stühlen. Rechts vorn das einfachere Zelt Albertis mit behangenem Tisch und Feldstühlen davor. Nach dem Hintergrunde zu unter schattigen Bäumen ebenfalls Zelte, Tische und Feldstühle. Besonders an den beiden vorderen Zelten sieht man Rüstungen, Helme, Schilde, Waffen und Geräte aller Art aufgehängt und angebracht; diejenigen auf dem Tisch links vorn sind auffällig kostbar in Gold und Silber, wie auch dieser Tisch auffallend mit goldenen und silbernen Pokalen, Geschirr, Gerät und einem schönen Schreibzeug mit Kielfedern und Pergament besetzt ist. Rechts hinten auf einem Gestell ein Faß mit Wein und Bechern für die Knappen. Auf allen Tischen Krüge, Becher, Früchte. Links hinter Robrts Zelt ein von oben herabführender Waldweg.

Es ist heller glänzender Sonnenschein.

Rechts und links vom Darsteller.

Erster Auftritt.

Der Herzog Robert von der Normandie. Sein Freund Bertram. Der sicilianische Ritter Alberti. Der Geheimschreiber Roberts in Mönchstracht. Robertritter, Pagen, Knappen, Wachen. Ritter, Ritterpagen, Knappen, Wachen.

Das Ganze muß den Eindruck eines fröhlichen Gelages machen.

Lebendige Uferscene, Boote kommen und gehen.

Robert, Bertram und der Geheimschreiber sitzen links vorn, von zwei Robertpagen bedient.

Alberti und drei Ritter sitzen rechts vorn, von zwei Ritterpagen bedient.

Die Ritter welche zum Teil sitzen, zum Teil in Gruppen stehen, trinken sich zu und zeigen in ihrem Wesen, daß sie bereits des Guten etwas zuviel gethan haben; einige würfeln im Hintergrunde.

Die Pagen bedienen, geschäftig hin und hereilend; sie holen gelegentlich frische Krüge mit Wein, um diesen aufs neue zu kredenzen.

Die Knappen lagern um das Faß Wein rechts hinten, lachen und jubeln.

Die Wachen gehen vor den Zelten Roberts und der Ritter auf und nieder und ziehen sich später zurück, wenn sich alle Ritter entfernen.

CHOR DER RITTER stehen auf, die Becher hoch haltend.
Gießt voll zum Rand die Becher
Von diesem Feuerwein,
Und laßt den Sorgenbrecher
Den Rausch der Lust uns sein.

Sie setzen sich.

Pagen schenken ein.

CHOR DER RITTER.
Gießt ein, gießt ein den Feuerwein! –
Der Freude uns, der Freud‘ uns zu ergeben,
Sei uns der Lebensplan!
Den Wein, das Spiel, die Schönen,
Sie lieb‘ ich nur fortan!
ROBERT erhebt sich, hält Alberti zutrinkend seinen Becher entgegen.
Ja – sie lieb‘ ich nur fortan!
ALBERTI erwidert Roberts Vewegung.
Ja – sie lieb‘ ich nur fortan!

Alberti und Robert setzen sich wieder.

CHOR DER RITTER.
Den Wein, das Spiel, die Schönen,
Sie lieb‘ ich nur fortan!
Schenkt ein, schenkt ein, schenkt ein, schenkt ein!

Sie heben ihre Becher jubelnd in die Höhe.

Die Pagen füllen sie.

Alberti und zwei Ritter am Tisch rechts vorn erheben sich.

ROBERT am Tisch links.
Und laßt den Sorgenbrecher
Den Rausch der Lust uns sein!
CHOR DER RITTER jubelnd einfallend.
Schenkt ein, schenkt ein, schenkt ein, schenkt ein!
ALBERTI, DIE ZWEI RITTER UND ROBERT.
Der Freud‘ uns zu ergeben,
Sei uns der Lebensplan;
Den Wein, das Spiel, die Schönen,
Sie lieb‘ ich nur fortan!
CHOR DER RITTER unter sich anstoßend und Alberti und Robert die Becher entgegenhaltend.
Schenkt ein!
ALBERTI, DIE ZWEI RITTER UND ROBERT.
Sie lieb‘ ich nur fortan!
CHOR DER RITTER wie oben.
Schenkt ein!
ALLE.
Schenkt ein, schenkt ein, schenkt ein, schenkt ein!
ALBERTI, DIE ZWEI RITTER UND ROBERT.
Schenkt ein, schenkt ein, schenkt ein den Feuerwein!
CHOR DER RITTER wie oben.
Der Freude uns, der Freud‘ uns zu ergeben,
Sie uns der Lebensplan!
ALLE.
Den Wein, das Spiel, die Schönen,
Sie lieb‘ ich nur fortan!
Der Freud‘ uns zu ergeben,
Sei unser Lebensplan;
Den Wein, das Spiel, die Schönen,
Sie lieb‘ ich nur fortan!
Gießt voll zum Rand die Becher
Von diesem Feuerwein,
Und laßt den Sorgenbrecher
Den Rausch der Lust uns sein.
Der Freud‘ uns zu ergeben,
Sei uns der Lebensplan;
Den Wein, das Spiel, die Schönen,
Sie lieb‘ ich nur fortan!
Schenkt ein, schenkt ein vom Feuerwein
Und laßt den Sorgenbrecher
Den Rausch der Lust uns sein!
Schenkt ein, schenkt ein den Feuerwein!

Robert nimmt seinen Platz wieder ein.

Die Ritter an den Tischen setzen sich alle wieder.

DER ERSTE RITTER am Tisch rechts vorn zu Alberti, mit Vezielung auf Robert.
Zahlreich ist sein Gefolg‘! Wie voll Glanz sind die Waffen!
ALBERTI zu den Umsitzenden.
Wer ist der Fremde nur? Dieser Fürst, wie es scheint,
Dessen Zelt dort den Schmuck aller Länder fast in sich vereint?
DER DRITTE RITTER am Tisch rechts vorn.
Was führt ihn nach Sicilien?

Bertram deutet Robert durch Gebärden die Neugier der Ritter an.

DER ZWEITE RITTER am Tisch rechts.
Wie mich dünkt, kam er her,
Um beim Turnier auch, gleich uns, hier zu sein,
Das giebt der Herzog von Messina.

Robert erhebt sich mit einem Goldpokal in der Hand, tritt in die Mitte und wendet sich zu den Rittern.

Bertram steht gleichfalls auf und bleibt stets dicht an Roberts Seite.

Alle sitzenden Ritter erheben sich mit den gefüllten Bechern.

ROBERT.
Ihr edlen Ritter hier! Es gilt euch dieser Wein!
DIE RITTER.
Habt Dank, habt Dank, habt Dank, Herr Ritter, Dank!

Sie verlassen ihre Plätze und kommen nach vorn.

ROBERT.
Es gilt euch – dieser Wein! Es gilt euch dieser Wein!

Er trinkt erst Alberti, dann den andern zu.

CHOR DER RITTER hebt jubelnd die Becher in die Höhe und trinkt, um sie sogleich wieder von den Pagen füllen zu lassen.
Der Freude uns, der Freud‘ uns zu ergeben,
Sei uns der Lebensplan;
Den Wein, das Spiel, die Schönen,
Sie lieb‘ ich nur fortan!

Sie stoßen unter sich an und trinken.

Der Landmann Raimbaud erscheint in Pilgertracht auf dem Waldweg links hinten in einer kleinen Gruppe von Pilgern, welche sich nach rechts hinten entfernen, wenn Raimbaud vortritt; es folgt ein abenteuerlich aussehender Wagen, der von einem Maultier gezogen wird; auf diesem Wagen zigeunerartiges Volk; neben dem Wagen Zigeuner mit gefüllten Säcken und andern Gegenständen.

Der Geheimschreiber erhebt sich und tritt links vorn in Roberts Zelt.

Zweiter Auftritt.

Die Vorigen ohne den Geheimschreiber. Raimbaud. Pilger. Zigeuner.

Alberti ist etwas zurückgegangen und hat nach links hinten geblickt.

Einige Ritter folgen ihm und bilden eine Gruppe, Raimbaud entgegensehend.

Andere setzen sich wieder.

Die Zigeuner entfernen sich mit dem Wagen langsam nach rechts einten.

ALBERTI zu den Umstehenden.
Ha, seht den Pilger dort,
Ein Sänger wie es scheint;
Der, wenn es euch gefällt,
Dann unter Liederklang
Bei dem Mahl euch erfreun
Mit seinen Liedern könnte.
Er kommt eben aus Frankreich,
Ja, aus der Normandie.

Raimbaud tritt in unterwürfiger Haltung einige Schritte in die Ritte vor.

Die Pilger gehen ab nach rechts hinten.

Dritter Auftritt.

Die Vorigen ohne die Pilger und Zigeuner.

ROBERT lebhaft und freudig berührt, ohne Pause fortfahrend.
Wie? Aus der Normandie?
BERTRAM mit leiser Stimme zu Robert.
Deiner Heimat voll Undank?
ROBERT wieder gefaßt.
Komm näher!
Nimm! und singe uns ein Lied!

Er wirft ihm eine volle Börse zu.

RAIMBAUD kommt weiter vor, fängt die Börse auf und grüßt unterwürfig dankend nach allen Seiten.
Da wollt‘ die grause Mär‘ ihr ohne Zweifel
Von unserm jungen Herzog, von Robert, dem Teufel?
ALLE aufspringend und näher tretend, fragend.
Robert, dem Teufel?

Sie lachen.

RAIMBAUD.
Dem saubern Taugenichts, mit Lucifer verwandt.
Der wegen seiner Unthat aus dem Reich verbannt.

Robert greift entrüstet nach seinem Dolch und will auf Raimbau zu eilen.

BERTRAM der die Bewegung bemerkte, saßt schnell Roberts Arm ihn zurückhaltend.
Still! fasse dich!

Er spricht besänftigend leise mit ihm weiter.

ROBERT kalt zu Raimbaud, funkelnden Auges ihn messend.
So singe!

Raimbaud steht verdutzt.

BERTRAM wiederholt.
So singe!
CHOR DER RITTER.
Stille jetzt, aufgemerkt!
Aufgemerkt, aufgemerkt!

Robert und Bertram setzen sich links wie vorher.

Die Ritter stehen teils um Raimbaud herum, teils setzen sie sich um zuzuhören.

Nr. 2a. Ballade.

RAIMBAUD wird nach und nach vom Inhalt seiner Erzählung um willkürlich fortgerissen.
Die Normandie beherrschte einst
Ein Fürst voll Tapferkeit und voll Necht,
Doch seiner schönen Tochter Bertha
Waren alle Freier zu schlecht.
Da kam an den Hof ihres Vaters
Einst ein Fürst, von niemand gekannt,
Und Bertha, bis dahin so stolz und spröde,
Fühlt plötzlich nun ihr Herz gewandt! –

Geheimnisvoll.

Grausamer Trug! Unsel'ger Wahnsinn!
Denn jener Fürst, wißt ihr, wer's war?
CHOR DER RITTER neugierig.
So sprich, wer's war?
RAIMBAUD.
Ein Mitgenoss‘ des Höllenpfuhles!
Auf Normannswort, der Teufel gar!
CHOR DER RITTER Raimbaud verspottend, indem sie sich lachend untereinander anstoßen.
Der Teufel gar?
RAIMBAUD.
Der Teufel gar!
CHOR DER RITTER wie oben.
Wahrhaftig wahr?
RAIMBAUD beteuernd.
Der Teufel gar!

Die Ritter lachen laut auf; stellenweise Veränderung der Gruppen durch Aufstehen und Nähertreten; man bildet einen Halbkreis um Raimbaud.

Die Pagen und Knappen tragen unauffällig die hinter den Rittern links und in der Mitte befindlichen Tische und Feldstühle weg und reichen später auf Kredenztellern Becher herum.

Die Robertknappen treten ebenfalls, sobald die Tische und Feldstühle entfernt sind, neugierig näher.

CHOR DER RITTER lachend.
Der Spaß ist gut, wahrhaftig gut,
Man muß drob lachen! Der Teufel gar?
RAIMBAUD.
Ja, der Teufel gar!
CHOR DER RITTER.
Der Teufel gar – ganz und gar! –
RAIMBAUD.
Ja – ganz und gar! –
Er war's, auf den gar große Stücke
Satanas, der Höllenfürst, hält,
Der unter seiner steten Obhut
Die Schätze wahrt der ganzen Welt.
Auch ward nun bald durch seinen Reichtum
Bertha samt ihrem Vater verführt,
Und in der Kirche an heil'ger Stelle
Mit großem Pomp dann kopuliert.

Geheimnisvoll.

Grausamer Trug! Unsel'ger Wahnsinn!
Denn jener Fürst, wißt ihr, wer's war?
CHOR DER RITTER neugierig.
So sprich, wer's war?
RAIMBAUD.
Ein Mitgenoss‘ des Höllenpfuhles!
Auf Normannswort, der Teufel gar!
CHOR DER RITTER Raimbaud verspottend.
Der Teufel gar?
RAIMBAUD.
Der Teufel gar!
CHOR DER RITTER wie oben.
Wahrhaftig wahr?
RAIMBAUD beteuernd.
Der Teufel gar!
CHOR DER RITTER lachend.
Der Spaß ist gut, wahrhaftig gut,
Man muß drob lachen! Der Teufel gar?
RAIMBAUD.
Ja, der Teufel gar!
CHOR DER RITTER.
Der Teufel gar – ganz und gar! –
RAIMBAUD.
Ja – ganz und gar! –
Aus dieser Eh‘ voll Höllengrausen
Kommt ein Sohn, ein Schrecken für das Land,
Robert! Robert! der Sohn des Teufels,
Wie er nach ihm schon ward genannt!
Unheil bringt er in alle Häuser,
Unheil bringt er im Turnier, die Männer er schlägt,
Entführet die Frauen, entführet die Töchter.
Und wo er nur zeigt sich und regt –
Entfliehet schnell, ihr jungen Mädchen,
Es ist Robert! Entfliehet, ach! Es ist Robert!
CHOR DER RITTER belustigt.
Es ist Robert!
RAIMBAUD gesteigert.
Mit Haut und Haar
Gleicht er seinem teuren Herrn Vater
Und ist wie der, der Teufel gar!
CHOR DER RITTER Raimbaud verspottend.
Wie, was, Robert?
RAIMBAUD wie oben.
Der Teufel gar!
CHOR DER RITTER wie oben.
Wie, was, Robert?
RAIMBAUD wie oben.
Der Teufel gar!
CHOR DER RITTER lachend.
Der Spaß ist gut, wahrhaftig gut,
Man muß drob lachen! Wie, was, Robert?
RAIMBAUD wie oben.
Ja, der Teufel gar!
CHOR DER RITTER.
Der Teufel gar – ganz und gar!
RAIMBAUD wie oben.
Der – Teufel gar!

Nachdem er geendet, hält er erschöpft inne und sieht die Ritter fragend an.

Die Ritter brechen in ein spottendes Gelächter aus.

Robert der bis jetzt seinen Zorn niederkämpfte, springt ergrimmt auf und winkt seinen Knappen.

Bertram erhebt sich ebenfalls.

Zwei Robertknappen treten rasch zu Raimbaud heran, um ihn zu ergreifen.

ROBERT.
Ha, zuviel! Den Verwegnen verhaftet sogleich!
Ich bin Robert!
ALLE erstaunt zurücktretend.
Robert! Robert!
RAIMBAUD fixiert einen Augenblick Robert und stürzt dann zu seinen Füßen.
O habt Erbarmen! habt doch nur Mitleid!
Verzeiht mir, gnäd'ger Herr!
ROBERT wütend und ohne Erbarmen.
Verzeihen? Eine Stunde,
Da magst du beten – und dann – und dann –

Nach rechts weisend.

An den Baum hängt ihn auf!

Die zwei Robertknappen fassen Raimbaud.

Bertram tritt zu Robert und flüstert ihm, höhnisch auf Raimbaud weisend, etwas zu.

RAIMBAUD immer auf den Knieen, außer sich.
Habt doch nur Mitleid, habt doch Erbarmen!
Ich komme aus der Normandie

Nach links hinten weisend.

Mit meiner Braut, der Armen.
Wir wurden beide gleich
Mit einer frommen Botschaft gesendet an euch.

Die Robertknappen reißen Raimbaud in die Höhe.

Bertram flüstert abermals höhnisch lachend Robert einige Worte zu.

ROBERT sanfter, mit geändertem Wesen.
Mit deiner Braut?

Die Robertknappen wollen Raimbaud fortführen.

ROBERT winkt.
Geduld, Geduld!

Die Robertknappen lassen Raimbaud los, der bleich und zitternd zwischen ihnen sieht.

ROBERT.
Sie ist wohl jung und schön?
Ich bin den Schönen hold!
Aus Mitleid für die Braut
Sollst du der Strafe noch entgehen!

Die Robertknappen treten zurück.

ROBERT.
Doch sie gehöret mir,
Mich verlangt es, sie zu sehn!

Bertram giebt den zwei Robertknappen einen Wink.

Die zwei Robertknappen gehen ab nach links hinten über den Waldweg.

ROBERT zu den Rittern ohne Pause fortfahrend.
Und auch euch soll ihr Anblick laben!
ALLE RITTER lachend und sich verneigend.
Sehr schön! sehr schön!
RAIMBAUD tritt, sich vor die Stirn schlagend, in Verzweiflung zurück nach der rechten Seite.
O wehe mir!
ROBERT hart und kurz zu ihm.
Du schweigst, Vasall, erkennest meine Gnade
Und wagst nicht einen Klagelaut!

Er geht nach links an seinen Tisch und ergreift den Goldpokal.

Die Robertpagen füllen ihn, reichen Becher auf Kredenztellern schenken ein.

ROBERT.
Schenket ein! Schenkt uns ein!
Den Wein! Den Wein! Den Wein, das Spiel,
Den Wein, das Spiel, die Schönen,
Sie lieb‘, sie lieb‘, sie lieb‘ ich nur fortan!
ALLE RITTER.
Nur der Lust weihn wir uns fortan!

Robert stößt mit Bertram an.

Bertram nimmt ihn dann lachend unterm Arm.

Beide gehen links vorn ab in Roberts Zelt.

Lärm und Tumult links hinten.

Die zwei Robertknappen schleppen das Landmädchen Alice, die ein Pergament bei sich trägt, von links hinten über den Waldweg herbei.

Vierter Auftritt.

Raimbaud rechts zurückstehend. Alberti links vorn. Die Ritter, Alice, die Robertknappen in der Mitte. Pagen, Knappen, Wachen wie vorher

ALICE zu den Knappen.
Habt Erbarmen! Laßt mich los!
Laßt mich los! Wohin nur führt ihr mich?

Sie sträubt sich erfolglos gegen die Zudringlichkeit der Knappen.

Raimbaud will ihr entgegeneilen.

Zwei Ritter halten ihn lachend zurück und drängen ihn nach rechts.

Alice sucht sich vergeblich los zu machen und kommt allmählich immer mehr nach vorn.

CHOR DER RITTER näher zu Alice und hinter sie tretend.
Welch schönes Kind! Welch holdes Mädchen!
Welch schönes Kind!
ALICE zu den Rittern rechts.
Gnade!
CHOR DER RITTER.
Nein!
ALICE.
Erbarmen!
CHOR DER RITTER.
Nein!
ALICE.
O hört mein Flehn!
CHOR DER RITTER.
Nein! Nein, nein, nein, nein!

Alice hat es endlich vermocht, sich von den Knappen los zu machen.

DIE RITTER bemächtigen sich ihrer, sobald sie dort frei ist und erlauben sich allerlei Zudringlichkeiten; ohne Pause fortfahrend.
Wir müssen ihn bestrafet sehn,
Kein Mitleid für deine Zähren,
Die deine Reize nur vermehren,
Es kann hier Gnade nicht geschehn!
ALICE wie oben.
Gnade!
CHOR DER RITTER.
Nein!
ALICE.
Erbarmen!
CHOR DER RITTER.
Nein!
ALICE.
O hört mein Flehn!
CHOR DER RITTER.
Nein! Nein, nein, nein, nein!
Wir müssen ihn bestrafet sehn,
Kein Mitleid für deine Zähren,
Die deine Reize nur vermehren,
Es kann hier Gnade nicht geschehn!

Immer mehr sie bedrängend.

Welch schönes Kind! welch schönes Mädchen!
Welch schönes Kind! welch schönes Kind!
Es soll dir ja kein Leid geschehn!
ALICE in höchster Bedrängnis.
Ach, Gnade! ach, Gnade!

Da sie keinen andern Ausweg mehr sieht, sich vor den Zudringlichkeiten der Ritter zu schützen, flieht sie zu dem allein mehr links zurückstehenden Alberti.

Gnade! Gnade! Gnade! gnäd'ger Herr!

Der Herzog Robert von der Normandie tritt in diesem Augenblick links vorn aus seinem Zelt; sein erster Blick fällt auf Alice.

Fünfter Auftritt.

Die Vorigen. Robert.

ROBERT aufs höchste überrascht.
Was hör‘ ich? Seh ich recht! Alice! O Himmel!

Die Ritter treten erstaunt nach rechts zurück.

ALICE eilt auf Robert zu, sich ihm zu Füßen werfend.
Ach, gnäd'ger Herr! beschützt mich Arme!
O beschützt mich gegen sie!
CHOR DER RITTER auf Raimbaud weisend.
Nein, nein, er muß bestrafet sein!

Sie wollen aufs neue auf Alice zu.

ROBERT hebt Alice gütig auf und giebt sie schützend an sich vorüber nach links vorn.
Haltet ein! Es ist Alice!
Kein Vergehn – darf hier walten!

Er zieht Alice an sich.

Dieselbe Brust hat beide uns genährt –
Vergessen werd‘ ich's nie.

Er legt, die Ritter messend, die Hand ans Schwert.

Alice tritt einige Schritte zurück.

Raimbaud hat sich hinten herum nach links zu ihr geschlichen.

Alice flüstert ihm einige Worte zu.

Raimbaud nickt und geht, ihrer stummen Zustimmung und Andeutung folgend, mit ihr nach hinten.

Alice weist nach rechts hinten.

Raimbaud verabschiedet sich von ihr und verschwindet rechts hinten.

Alice blickt ihm einige Zeit nach.

CHOR DER RITTER murrend und in drohender Haltung.
Versprechen muß man halten!
Vergesset Ihr denn ganz den heitern Lebensplan?
»Den Wein, das Spiel, die Schönen,
Sie lieb‘ ich nur fortau!«
ROBERT die Hand am Schwert.
Nein – nein, ich will sie verteid'gen!
Drum zügelt euer Wort!
Weh‘ dem, weh‘ dem, der sie beleidigt,
Weh‘ ihm! Ihn trifft der Tod sofort –
Ihn trifft der Tod sofort! der Tod! der Tod!

Er geht einige Schritte auf die Ritter zu.

ALBERTI zu den Rittern.
So laßt uns gehn, nicht unklug handeln,
Erreget nicht umsonst den Streit! –
Laßt uns gehn! – Laßt uns gehn! –
Wohlan! laßt uns gehn!
Ja, wiederkehr‘ ich heut!
Entfernen wir uns ohne Zaudern,
Ja, nur fort – fort!
Wir kehren wieder heut, wir kehren wieder!
Entfernt euch nun!
Wir kehren später wieder!
CHOR DER RITTER untereinander.
Wir gehn! wir gehn!
Erregen nicht umsonst den Streit!
So laßt uns gehn, nicht unklug handeln,
Erreget nicht umsonst den Streit.
Entfernen wir uns ohne Zaudern,
Wiederkehren wir noch heut.
Entfernt euch nun!
Wir kehren später wieder!
ROBERT drohend, ohne den Rittern nachzufolgen.
Fürchtet jetzt meinen Zorn!
Gehorcht mir sogleich!
Entfernt euch jetzo sonder Zaudern!
Gehorcht mir sogleich, schwer trifft euch
Sonst mein Arm, schwer trifft euch mein Arm!

Alberti und die Ritter ziehen sich langsam nach und nach gruppenweise nach rechts zurück.

Die Ritterpagen und Knappen folgen.

Die Robertritter und Knappen entfernen sich nach links hinten.

Die Robertpagen treten links vorn in Roberts Zelt.

Die Wachen verschwinden rechts und links hinten.

Sechster Auftritt.

Alice, Robert zu ihrer Linken. Dann ein Robertpage und der Geheimschreiber.

Alice kommt, sowie sie sich mit Robert allein sieht, nach vorn, beugt das Knie vor Robert, erfaßt seine Hand und küßt sie.

B. Recitativ.

ALICE.
O mein Herzog, mein Gebieter!
ROBERT liebevoll und zärtlich sie aufhebend.
Nenne mich deinen Bruder!
Verbannt durch mein undankbar Volk,

Bekümmert.

Irr‘ ich von Schmerz gequält
Heimatlos in der Fremde!
In der Schlacht suchte ich vergebens mir den Tod!

Alice richtet grambewegt die Blicke auf ihn.

ROBERT abgewendet.
Die Liebe, die mir hier ihr Glück entgegentrug,
Hat mein Elend vollendet!

Zu Alice.

Doch du – hier bei Palermo, was kann
Hieher dich führen?
ALICE tiefe Trauer in den Zügen, doch gesenkten Blickes; einsam und mit ergreifendem Ernst.
Mich führet die Pflicht nur hieher.
Mit meinem Bräutigam zog ich aus niedrer Hütte,
Schob die Vermählung auf, unsrer Liebe Verein.
ROBERT.
Warum?
ALICE traurig.
Um Eurer Mutter Auftrag zu erfüllen!
ROBERT freudig bewegt.
Wie, meiner teuren Mutter! O rede!
Liebt sie mich noch, will unverweilt ich zu ihr eilen!
ALICE zögernd.
Ihr könnt sie niemals mehr wiedersehn,
Nie mehr hören!
ROBERT entsetzt von Alice zurückweichend.
O Gott!
ALICE.
Sie ist nicht mehr!
ROBERT.
Wie? O Mutter! Meine Mutter! O mein Herz!

Er wankt erschüttert nach links zum Tisch, sinkt dort zusammen und verhüllt sein Haupt.

Nr. 3a. Romanze.

ALICE einfach.
»Geh! geh! geh!« sprach sie zu mir, »zaudre nicht,
Sage dem Sohn, der mich, ach, verlassen,
Daß ich im Tod noch seiner denke!
Daß ich noch seiner denke,
Ob mir dieses Herz jetzt auch bricht!
Mildre ihm seinen Schmerz, sein Bangen,
Ihm ist noch ein Schutz ja verliehn!
Denn dort bei Gott wie hier auf der Erde,
Fleht seine Mutter ja für ihn.«

Robert verharrt regungslos.

ALICE.
»Sag ihm, daß des Abgrundes Qual
Abwärts ihn drängt tief ins Verderben:
Sei du sein Engel, arme Alice,
Alice, sei du sein Engel!
Nur zwischen euch hat er die Wahl.
Möcht er doch des Gottes Züruen sühnen,
Der mir meine Sünden verziehn;
Und zu dem Licht schwingen die Seele,
Wo seine Mutter fleht für ihn.«

Sie endet tief ergriffen und mit thränenerstickter Stimme.

Robert starrt während des Nachspiels verzweifelt vor sich hin.

B. Recitativ.

ROBERT in dumpfer Verzweiflung.
Und ich konnt‘ ihr Auge nicht schließen!
ALICE tritt zu ihm.
Mir anvertraut hat sie hier ihren letzten Willen.
»Dereinst« – so sagte sie – »wenn dessen wert er ist,
Les‘ er hier diese Schrift.«

Sie zieht das Pergament hervor, beugt ein Knie vor Robert und überreicht ihm seiner Mutter Testament; dann erhebt sie sich wieder.

Robert der schmerzbewegt das Schreiben entgegen nahm, küßt es und will es hastig öffnen; doch plötzlich hält er inne, steht auf und reicht Alice mit abwehrender Gebärde das Schriftstück zurück.

Alice nimmt es zögernd.

ROBERT.
Nein, noch bin ich es nicht!
Streng muß ich mit mir richten!
Dereinst! – Bewahre mir dieses teure Vermächtnis! –
Alles stürmt auf mich ein!
Verdammt zum Unglück nähre ich die
Qualen vergeblicher Lieb‘ im Busen.

Er wendet sich an Alice vorüber nach rechts.

ALICE freudig bewegt.
Wie, Ihr liebt?
ROBERT.
Hoffnungslos! Vernimm all meine Pein!
Ich habe jüngst von Eifersucht entbrannt
Der Fürstin Zorn gereizt,
Und bin verbannt aus ihrer Nähe.
Doch voll Wut, Eifersucht, in wildem Ungestüm
Sprach Hohn ich ihrem Vater!
Er rief die Ritter all zum Kampfe gegen mich!
ALICE.
O Gott!
ROBERT.
Ich unterlag! – Als in den Kampfplatz sprengte
Bertram, ein wackrer Held, mir ein Freund, mir ein Retter!
In den Staub warf er die Kühnsten nieder!
Ich verdankte den Sieg ihm und verlor, ach, mein Glück!
ALICE.
Doch sie, die Prinzeß Isabelle?
ROBERT.
Seitdem konnt‘ ich sie nie mehr sehn!
ALICE.
Weh Euch! Sie aber ist gewiß dem frühern Schwure treu geblieben!
ROBERT in dumpfes Brüten versunken, geht an Alice vorüber nach links.
Wie überzeug‘ ich mich?
ALICE.
Befragt sie darum selber, schreibet ihr!

Robert winkt nach links in sein Zelt.

Ein Robertpage erscheint.

Robert erteilt ihm einen Befehl.

Der Page geht in das Zelt zurück.

Der Geheimschreiber tritt gleich darauf heraus und rüstet sich auf seinem früheren Platz zum Schreiben.

ROBERT tritt zu ihm und diktiert ihm leise; zu Alice.
Wenn du glaubst! Doch wer überbringt -?
ALICE entschlossen.
Ich! – Die Mittel finden sich,
Wenn man die Pflicht mit Lieb‘ erfüllt!
ROBERT.
O du mein teurer Schutzgeist,
Wie kann dir jemals ich vergelten diese Huld?
ALICE.
Ihr könnt es ohne Mühe.
Die Liebe von Raimbaud ist Euch nicht unbekannt.
Erlaubt, daß ein Priester noch heut‘
Dort an dem heiligen Altare
Auf ewig mit ihm mich vereint.

Der Geheimschreiber hat geendet und das Pergament mit einem Band umschlungen.

Robert tritt hinzu und drückt den Knauf seines Dolches als Insiegel in das weiche Wachs.

Der Geheimschreiber tritt nach einer Verneigung nach links in das Zelt Roberts zurück.

Bertram erscheint links hinten auf dem Waldweg.

Siebenter Auftritt.

Alice rechts, Robert zu ihrer Linken. Bertram links zurückstehend.

ROBERT der instinktiv Bertrams Nähe zu fühlen scheint, drängt zum Gehen, indem er Alice das Pergament überreicht.
Wohl, es sei! doch – nun geh!

Bertram kommt langsam den Waldweg herunter und richtet seinen Blick starr auf Alice.

ALICE wendet sich zum Gehen und schreit bei Bertrams Anblick auf.
Ha!

Sie weicht entsetzt einige Schritte zurück, beständig den Blick angstvoll auf Bertram gerichtet; leise zu Robert.

Wer ist denn jenes finstre Wesen?
ROBERT erstaunt sich umblickend, dann heiter.
Der Ritter Bertram ist's, mein trauter Busenfreund!
Was siehst du so ihn an? Du bebst vor ihm zurück?
ALICE immer zitternd und zögernd, die Augen unverwandt auf Bertram gerichtet.
Weil – weil ich – in unserem Dorfe –
Ein schönes Altarbildnis sah –
Erzengel Michael, der den Satan besiegt –

Zögernd.

Und mich dünkt –
ROBERT.
Rede nur, was kannst du befürchten?
ALICE.
Daß er gleiche –
ROBERT lächelnd.
Dem Erzengel?
ALICE schnell und heftig abwehrend.
Nein, o nein – dem Bösen!
ROBERT lachend.
Welche Verblendung!

Leise.

Geh‘, laß uns allein.

Alice will Robert die Hand küssen.

Robert verhindert es.

Alice geht zögernd und endlich mit schnellen Schritten zwischen ihm und Bertram ab nach rechts hinten.

Robert löst sein Schwert vom Gurt, legt es links vorn auf seinen Tisch, kehrt nach rechts zurück.

Achter Auftritt.

Robert, Bertram zu seiner Linken. Dann einige Ritter.

BERTRAM höhnisch lachend, mit einer Geste auf Alice.
Vortrefflich! Deine neue Eroberung
Scheint mit dir recht vertraut!
ROBERT.
Dank sprach aus ihrem Herzen!
BERTRAM spottend.
Ha, das soll man nun glauben.
Weiberdank ist Heuchelei!
ROBERT verstimmt.
O schweige doch!
Dein Wirken läßt Unheil mich ahnen.

Er betrachtet Bertram mit Mißtrauen.

In Zweifeln schwankt mein Herz!
Oft lenkt's zum Guten mich –
Und eben fühlt‘ ich die Macht reiner Tugend.

Mit Vorwurf.

Doch öfter treibt's zum Bösen mich,
Und du pflegst sorgsam stets
Des Lasters Keim in mir!
BERTRAM.
Was sagst du? Welcher Wahnsinn! Wie?
Du könntest die Absicht des Freundes verkennen?
Du zweifeltest an mir?
ROBERT auf ihn zueilend und seine Hand ergreifend.
Nein, nein! Du liebest mich: ja, ich glaub's!

Einige Ritter kommen von rechts hinten.

BERTRAM seufzend und seine Hand auf Roberts Schulter legend, indem er ihn an sich zieht.
O Robert! ich lieb‘ dich mehr als mein Leben!
Nie wirst erfahren du, wie sehr ich dir ergeben!
ROBERT treuherzig.
Nun, so gieb mir hinfort weise Lehren allein.
BERTRAM seine gewöhnliche Gleichgültigkeit wieder annehmend.
Das that ich immer.
Und hör‘, den Verdruß zu verjagen,

An Robert vorüber nach rechts gehend.

Komm zu diesen Rittern mit mir.
Versuch's im Würfelspiel, nimm teil an ihrem Zechen;
Wir bedürfen jetzt Gold, sie mögen es uns leihen.
ROBERT wieder ganz dem Einfluß Bertrams nachgebend.
Ja, dieser Rat ist gut.

Bertram geht zurück und winkt nach rechts.

Alberti, die Ritter, Ritterpagen und Knappen kommen gruppenweise von rechts.

Die Wachen treten von rechts und links herbei und nehmen ihre vorigen Stellungen ein.

Die Robertpagen kommen aus Roberts Zelt.

Die Ritterpagen kredenzen, von Gruppe zu Gruppe tretend, auf Tabletts gefüllte Becher und schenken ein.

Ein Robertpage füllt die Goldpokale für Robert und Bertram auf Roberts Tisch links vorn.

Bertram und Robert stehen auf der linken Seite.

Die Ritter nehmen die rechte Seite ein.

Neunter Auftritt.

Alberti. Bertram. Robert. Robertpagen, Knappen, Wachen. Ritter, Ritterpagen, Knappen, Wachen.

Nr. 4. Finale.

BERTRAM zu den Rittern.
Der Normandie Gebieter
Will teilen eure Lustbarkeit.
ROBERT lachend und den Rittern zutrinkend.
Beim Turnier sehn wir uns dann später,
Wenn es Zeit. Doch beim Spiel,
Doch beim Spiel kämpf‘ ich jetzt euch nieder.
DIE RITTER mit Unterwürfigkeit.
So viele Güte weckt in uns den Dank auch wieder:
Laßt sehn, was uns der Zufall für Entscheidung bem.
ROBERT tritt an Bertram vorüber, den Rittern näher.
So fangt denn an und laßt von Siciliens Port
Uns wiederholen hier das lust'ge kluge Wort.

Alberti winkt.

Zwei Ritterknappen bringen hierauf von links einen Spieltisch mit zwei Bechern und drei Würfeln nach der Mitte herbei.

Zwei Ritterpagen holen Kästchen mit Gold aus Albertis nach rechts vorn und stellen sie auf den Spieltisch.

CHOR DER RITTER.
Laßt von Siciliens Port
Uns wiederholen hier das lust'ge kluge Wort!
Fanget an! – Wiederholt! –
Jaja, wiederholt das kluge lust'ge Wort!

Sicilienne.

ROBERT sehr heiter und leicht.
Nun, o Glück, auf deine Lanne
Setz‘ ich jetzt mein Lebenslos;
Sei drum hold dem, was ich wünsche,
Und wohn‘ in des Bechers Schoß.
Gold ist eine Chimäre,
Versteht's zu brauchen fein!
Das wahre Glück auf Erden –
Ist das Vergnügen, ja dies ist's allein! – Ha!
ALBERTI fröhlich einstimmend.
Nun, o Glück, auf deine Lanne
Setzt er jetzt sein Lebenslos;
Sei drum hold dem, was er wünschet,
O Glück, wohne in des Bechers Schoß.
ROBERT.
Nun, o Glück, auf deine Laune
Setz‘ ich jetzt mein Lebenslos;
Sei drum hold dem, was ich wünsche
Wohne, wohne in des Bechers Schoß!

Er giebt seinen Pagen einen Wink.

Zwei Robertpagen bringen hierauf Kassetten mit Goldrollen aus Roberts Zelt links vorn und stellen sie auf Roberts Tisch.

CHOR DER RITTER ebenso, ausgelassen lustig.
Ja, o Glück, auf deine Laune
Setz‘ ich jetzt mein Lebenslos;
Sei nun hold auch meinen Wünschen,
Und wohn‘ in des Bechers Schoß!
ALBERTI, ROBERT UND CHOR DER RITTER.
Gold ist eine Chimäre,
Drum gebrauchet es fein!
Wahres Glück ist auf Erden
Doch allein – das Vergnügen allein!
Lalala, lalala, lalala, lalala,
Lalala, lalala, lalala, la!
BERTRAM der, links vorn stehend, mit Hohnlächeln das tolle Treiben angesehen, ergreift plötzlich einen Goldpokal vom Tisch links vorn; in wilder Freude und stolzer Verachtung mit Bezug auf Roberts Lied.
Ob Glück, du mich auch höhnest,
Ich trotze, trotze deiner Wut!
Ich trink‘ auf deine Laune,
Ich lach‘, ich lache voll Mut!
Ich lach‘, ich lach‘, ich lach‘, ich lache!

Boshaft ironisch.

Ich lach‘ im fröhlichen Mut!

Er trinkt und stellt den Pokal zurück.

ROBERT wie oben.
Ha – das wahre Glück, das Glück auf Erden!
Ha – ist das Vergnügen, Vergnügen allein!
La, lalala, lalala, lalala, la!
ALBERTI UND CHOR DER RITTER wie oben.
La, lalala, lalala, lalala, la!
ROBERT, ALBERTI UND CHOR DER RITTER.
Lalalalalalalalalalalala!

Die Ritter umgeben den Spieltisch und nehmen den lebhaftesten Anteil.

Der Ritter welcher gegen Robert spielt, steht hinter dem Spieltisch; er reicht Robert den Becher.

Robert setzt Gold, schüttelt die Würfel genau nach dem vorgetriebenen Takte und wirft.

Der erste Ritter (Spieler) wirft.

Die Ritter neigen sich gegen die Würfel, um zu sehen, wer gewinnt; dann machen sie eine zustimmende Bewegung gegen den Spieler und drücken durch Gebärden aus, daß Robert verlor.

ROBERT mit Stirnrunzeln.
Schlecht gemacht! – Nun, Revanche!
DER ERSTE RITTER (SPIELER) streicht das Gold ein.

Robert setzt aufs neue.

Wohlan! Hundert Piaster!
DER ERSTE RITTER (SPIELER) den Becher reichend.
So würfelt denn!
CHOR DER RITTER.
So würfelt denn!

Bertram sieht stillschweigend und mit Hohn zu.

Der erste Ritter (Spieler) ist inzwischen zurückgetreten und hat einem Andern Platz gemacht.

ROBERT würfelt wie oben abermals.
Vierzehn!
Diesmal wohl sollt‘ ich glauben
Wird den Gewinn sicher niemand mir rauben!

Der zweite Ritter (Spieler) wirft auf das Wort »Niemand« gegen Robert.

ROBERT verstimmt, mit erzwungenem Lächeln.
Wahrhaftig, ja! Fürwahr! Verloren, welch Geschick!

Die Ritter wie oben; nur gesteigert.

Der zweite Ritter (Spieler) streicht das Gold ein.

BERTRAM gleichgültig.
Was thut's? Verdopple es nur!
ROBERT.
Nun, zweihundert Piaster!
BERTRAM.
Das ist noch nicht genug! Fünfhundert!
ROBERT UND DIE RITTER erstaunt sich ansehend.
Fünfhundert!
BERTRAM.
Fünfhundert!
ROBERT UND DIE RITTER wie vorher.
Fünfhundert!

Der zweite Ritter (Spieler) hat inzwischen mit dem Dritten gewechselt.

DIE RITTER für sich.
Wir haben ihn, wir haben ihn!

Robert wirft noch mehr Gold auf den Spieltisch.

Der dritte Ritter (Spieler) setzt dagegen.

BERTRAM heiter zu Robert.
So muß man in dem Spiel ersetzen die Verluste.
Sicher ist der Gewinn.
ROBERT.
Glaubst du?
BERTRAM.
Ganz gewiß.

Der dritte Ritter (Spieler) wirft.

Robert wirft wie oben dagegen.

Die Ritter freuen sich wie oben seines Verlustes.

ROBERT wendet sich wütend vom Spieltisch ab.
Ha! – Ha, verdammt! – Ha, verdammt! –
Dies auch hin!

Der dritte Ritter (Spieler) streicht das Gold ein.

BERTRAM kalt, mit spöttischem Mitleid.
Beruh'ge dich, und mach's wie ich!
Nur frisch gewagt! Hast ja gesagt:
Das Gold ist nur Chimäre,
Versteht's zu brauchen fein!
Ha! das wahre Glück auf Erden,
Ist nur die Lust allein.
DIE RITTER.
Ja! Das Gold ist nur Chimäre,
Ha! Versteht's zu brauchen fein!
Ja! Das wahre Glück auf Erden
Ist das Vergnügen nur allein,
Das Vergnügen allein!

Robert reißt in blinder Wut seine Kette vom Halse und wirft sie auf den Spieltisch; dann giebt er seinen Pagen einen Wink.

Die Robertpagen gehen in sein Zelt und holen eine Truhe, gefüllt mit Silberzeug und Gefäßen herbei, weiche sie teilweise auf dem Spieltisch, teilweise auf dem Boden ausbreiten.

Die Ritter (Spieler) belegen ihrerseits den Spieltisch mit Gold- und Silberrollen.

Der dritte Ritter (Spieler) wechselt mit dem Vierten.

ROBERT.
So werd‘ ich das Schicksal denn zwingen,
Sich zu schämen des Unrechts an mir.
Gegen euch all‘ will ich noch hier
Zum Spiel den Diamantenschmuck –
DIE RITTER (SPIELER).
Wie, Euren Schmuck?
ROBERT.
Und mein Silberzeug bringen.
DIE RITTER (SPIELER).
Und das Silbergeschirre!
Das sind recht gern zufrieden wir.

Unter sich.

Wir haben ihn! Wir haben ihn!
BERTRAM.
Er hat ganz recht, wozu nutzt's auf der Reise.
Ob man auf Silber, auf Holz wohl auch speise.

Der vierte Ritter (Spieler) wirft.

Robert wirft dagegen und verliert wieder.

Die Ritter (Spieler) ziehen lachend Roberts Schmuck und Silberzeug ein, bewundern es und übergeben es ihren Pagen.

Die Ritterpagen tragen es in die Zelte rechts.

ROBERT wankt zu seinem Tisch links vorn.
Weh mir! wir sind verloren! weh mir!

Er bricht am Tisch zusammen.

BERTRAM mit spöttischem Mitleid.
Mein Freund, beruh'ge dich – und mach's wie ich!
Nur frisch gewagt, frisch nur gewagt!
Beruh'ge dich, und mach's wie ich,
Nur frisch gewagt, hast selbst gesagt:
Das Gold ist nur Chimäre,
Versteht's zu brauchen fein!
Ha, das wahre Glück auf Erden
Ist das Vergnügen nur allein!
ROBERT wütend sich erhebend und auf den Spieltisch schlagend.
Und meine Rosse – und meine Waffen!
Dies ist, was mir noch übrig,
Und ich setz‘ es daran!

Er winkt seinen Pagen.

Die Robertpagen bringen von Roberts Waffengestellen und an seinem Zelt Waffen und Ritterschmuck herbei und legen sie auf dem Spieltisch.

Der vierte Ritter (Spieler) wechselt mit Alberti.

BERTRAM zufrieden.
Du thust ganz recht, ja, recht, ganz recht
Das Schicksal, das jetzt dich verfolgte,
Harrt nur des Augenblicks,
Dann hat dich's wieder lieb.
DIE RITTER unter sich.
Wir haben ihn, wir haben ihn!
ROBERT wirft fieberhaft erregt; beinahe sprechend.
Fünfzehn!
ALBERTI erregt, ebenso.
Auch fünfzehn!

Die Ritter in großer Spannung und Erwartung.

ROBERT gesteigert, wirft.
Sechzehn!
BERTRAM.
Sieh, das Glück lächelt dir!
ALBERTI wie oben, wirft.
Achtzehn!
ROBERT taumelt in Verzweiflung zur Seite.
Achtzehn!
DIE RITTER erstaunt und überrascht.
Achtzehn!
ROBERT vernichtet.
Weh mir! Alles dahin!
DIE RITTER mit hohnlächelnder Miene Robert betrachtend.
Er hat nichts mehr!

Die Ritterpagen tragen Waffen und Ritterschmuck in die Zelte rechts.

Robert und Bertram stehen abgesondert links im Vordergrunde.

Bertram giebt sich den Anschein, als suche er Robert zu trösten.

ROBERT niedergeschlagen, tonlos und traurig zu ihm.
Und dich mußt‘ ich mit ziehen,
Mein Freund, in dies grause Geschick! –
Die Waffen, meine Rosse,
Sind leider nicht mehr mein!
Geh‘, überliefre sie!

Fast weinend.

Ich steh allein!

Teilnahmlos.

Geh!

Bertram bleibt unbeweglich.

ROBERT dadurch gereizt.
Geh!

Bertram verharrt ohne Regung.

ROBERT sehr stark.
Geh!

Bertram fährt auf, mißt Robert von oben bis unten und geht mit großen Schritten ab nach links in Roberts Zelt.

Robertpagen folgen ihm.

Zehnter Auftritt.

Die Vorigen ohne Bertram.

Die Robertpagen kehren mit Rüstungen und Schmuck sogleich zurück und übergeben diese den Ritterpagen.

Die Ritterpagen tragen sie in die Zelte rechts.

Einige Ritter verdecken vortretend den Spieltisch.

Die Knappen tragen unauffällig den Spieltisch weg.

Robert wankt dumpf brütend wie von Sinnen an seinen Tisch links.

Die Ritter machen sich spöttelnd über seine stumme Verzweiflung lustig.

ROBERT bemerkt es und fährt entrüstet auf; für sich.
Ha, Schmach ohne Maß!
Ein Höllengeschick,
Es raubt jedes Glück,
Es verfolgt mich Armen!

Zu den Rittern.

Ha, scheut meine Wut,

Mit Kraft.

Ich räche mit Blut
Den Frevel an euch
Noch gewiß ohn‘ Erbarmen!
Mit Blut! mit Blut!
DIE RITTER unter sich, auf Robert zeigend, mit Spott und Hohn in Mienen und Gebärden.
Seht nur! Er fluchet, er verhöhnet!
Er schäumet vor Wut!
Es siedet sein Blut,
Der Wurf war nicht gut.

Robert ins Gesicht lachend.

O mäßiget, Herr,
Die thörichte Glut,
Sonst scheut meine Wut,
Die nur Blut versöhnet!
Sonst scheut meine Wut, die Wut!

Robert ergreift sein Schwert auf dem Tisch links und geht dann auf die Ritter los.

Die Ritter ziehen ebenfalls.

Bertram kommt von links aus Roberts Zelt und wirft sich da zwischen.

Elfter Auftritt.

Die Vorigen. Bertram. Dann Robertritter, Landleute und Zigeuner

BERTRAM.
Warum der Lärm?
ROBERT wie oben.
Mit Blut!
DIE RITTER ebenso.
Die Wut!
BERTRAM.
Weshalb der Lärm?
ROBERT zu den Rittern.
Ha, scheuet meine Wut,
Ich räche mich mit Blut, mit Blut, mit Blut!
DIE RITTER.
O mäßigt, Herr, die wilde Glut,
Sonst zittert! fürchtet meine Wut!
BERTRAM nimmt Robert das Schwert ab und geht hinter ihm weg nach links; mit spöttischer Zärtlichkeit.
O beruh'ge dich, mach es wie ich!
Frisch nur gewagt, hast's ja gesagt, hast's gesagt:
Ja, das Gold ist nur Chimäre,
Versteht's zu brauchen fein!
ROBERT wütend.
Bertram!
DIE RITTER lachend.
Ganz recht!
BERTRAM.
Das wahre Glück auf Erden
Ist nur die Lust allein!
DIE VIER RITTER (SPIELER).
Ja, das wahre Glück auf Erden
Ist nur die Lust allein!
ROBERT.
Bertram!
DIE RITTER.
Ganz recht!
ROBERT außer sich zu den Rittern.
Ha – mit Blut!
O scheut die Wut – meine Wut!
Ich räch‘ an euch mich mit Blut! –

Für sich.

Ha, Schmach ohne Maß,
Ein Höllengeschick!
Es raubt jedes Glück,
Verfolget mich Armen! –

Wütend.

Bertram! Bertram!
DIE RITTER.
Das Gold ist nur Chimäre.
Ja, das wahre Glück auf Erden
Ist nur die Lust allein!
Ha! Ha! Ha! Ha! Ha! Ha! Ha! Ha!
Seht nur die tolle Wut! –
Ha, seht seine Wut,
Es siedet sein Blut!
Der Wurf war nicht gut!
Er fluchet, er höhnet!
Ha, das Gold ist nur Chimäre,
Versteht's zu brauchen sein!
ROBERT zu den Rittern.
Ha, scheut meine Wut!
DIE RITTER Robert verhöhnend.
Lalalalalalalalalala!
ROBERT.
Ich dürste nach Blut!
DIE RITTER.
Lalalalalalalalalala!
ROBERT.
Ha, scheut, o scheut meine Wut!
Ich dürste, ich dürste nach Blut!
Ha, scheut, o scheut meine Wut!
Mit Blut! mit Blut! mit Blut! mit Blut! –
Mit Blut! ja, mit Blut!
BERTRAM zu den Rittern.
Ha! scheuet seine Wut!
Er dürstet nach Blut!

Zu Robert.

O mäß'ge deine Glut
Und scheu‘ ihre Wut!
O scheu‘, ja scheu‘ ihre Wut, ihre Wut! –
O scheu‘ ihre Wut!
DIE RITTER lachend.
Lalalalala!

Mit Hohn.

Lalalalala!
Ha! Ha! Ha! Ha! Ha! O seht seine Wut!
Blut nur, Blut nur versöhnet, ja, Herr!
Ha, mäßigt eure Glut!
Sonst scheuet meine Wut!
Nur Blut, nur Blut versöhnet!
Nur Blut! ja, nur Blut!

Robert stürzt auf Bertram zu, entreißt ihm das Schwert und dring auf die Ritter ein.

Die Ritter ziehen schnell, um sich zu verteidigen.

Bertram tritt dazwischen, streckt schützend den Arm mit ausgebreitetem Mantel über Robert aus.

Robert entfällt das Schwert.

Die Ritter bleiben bezaubert regungslos in Gruppierung slehen.

Die Robertpagen sind bis zum Zelteingang links vorn geflüchtet.

Die Ritterpagen eilen nach den Zelten rechts.

Sechs Robertritter kommen von links hinten herbei.

Landleute und Zigeuner sind rechts und links im Hintergrund neugierig sichtbar.

Zweiter Aufzug.

Nr. 5. Zwischenakt, Recitativ und Arie.

Der Vorhang hebt sich im zwanzigsten Takte.

Thronsaal des Königs von Sicilien, reich geschmückt mit Rüstungen, Zahnen, Schildern, Waffen, hohen Wappenstühlen. Im Hintergrunde über Stufen nach einer Galerie, mit Aussicht ins Freie. Rechts vorn der erhöhte Thron mit zwei Sitzen.

Es ist Tag.

Erster Auftritt.

Die Prinzessin Isabelle von Sicilien rechts vorn. Zwei Hofdamen links. Vier Pagen im Hintergrunde.

Isabelle verabschiedet beim Aufgang des Vorhangs die Hofdamen und Pagen.

Die Hofdamen und Pagen entfernen sich unter Verneigungen nach rechts.

Recitativ und Arie.

ISABELLE.
O wie hass‘ ich den Thron,
Dessen Glanz mich umstrahlet!
Nur Feste, Lustbarkeit, ach! und doch nirgends Glück!
Mein Vater wird gebieten,
Versagen meine Hand! Unseliges Geschick!
Den allein ich geliebt,
Ach, Robert brach sein Wort,
Hat mich treulos verlassen!

Arie.

Nie darf ich hoffen,
Glücklich zu werden!
Freuden auf Erden,
Liebe, dein Glück,
Nimmer kehrt ihr mir zurück. –
Alles mein Sehnen,
Hoffendes Wähnen
Ist hingeschwunden
Wie Lenzeshauch! Ach!
Nie darf ich hoffen
Glücklich zu werden,
Freuden auf Erden,
Liebe, dein Glück,
Nimmer kehrt ihr mir zurück!

Die beiden Hofdamen unter Verneigungen treten von rechts ein.

Die vier Pagen mit silbernen Tabletts.

Junge Landmädchen kommen mit Bittschriften schüchtern knicksen unter dem Allegrotempo von links über die Mitteltreppe.

Das Landmädchen Alice ebenso mit Roberts Brief, bleibt als die Letzte im Hintergrunde.

Zweiter Auftritt.

Isabelle rechts vorn. Die zwei Hofdamen an ihrer Seite etwas zurück stehend. Die vier Pagen im Hintergrunde. Die Landmädchen und Alice auf der linken Seite.

CHOR DER LANDMÄDCHEN unter sich.
Rahn wir uns ohne Furcht! Rahn wir uns ohne Furcht!

Zu Isabelle.

Schenket dem Leiden
Beistand und Hilfe;
Wohlthat zu spenden
Strebt ja dein Herz.

Isabelle giebt während des Chores den Hofdamen ein Zeichen.

Eine Hofdame winkt den Pagen.

Die Pagen nehmen die Bittschriften der Landmädchen auf ihren Tabletts entgegen und überreichen sie Isabelle.

Isabelle öffnet einige und liest; dann giebt sie den Pagen die Schritten zurück.

ALICE sich scheu und ängstlich umsehend; für sich.
Gott! – Wag‘ ich es? –
Doch man sagt, hohe Frann,
Ja, selbst der Fürsten Töchter,
Sie nehmen manchmal gnädig die Bittschriften an.

Entschlossen vortretend.

Sei's gewagt.

Sie übergiebt knieend der Prinzessin Roberts Brief.

ISABELLE öffnet den Brief, aufs höchste freudig erregt, für sich.
Gott! – Was seh‘ ich? Dies von Robert?
Täuscht mein Auge mich nicht? –

Sie liest während des folgenden Vorspiels den Brief, dann nähert sie sich Alice mit geheimnisvoller Miene, hebt sie gütig auf und flüstert ihr leise einige Worte zu; hierauf steckt sie Roberts Schreiben zu sich.

Alice entfernt sich während des folgenden langsam und unauffällig über die Mitteltreppe nach rechts.

Dritter Auftritt.

Die Vorigen ohne Alice.

ISABELLE.
Idol du meiner Seele, o komm,
Mein Herz ist tief ergriffen. –
Nie wendet der Bedrängte
Sich vergebens an dieses Herz.

Für sich.

Ach, Robert! Ach, Robert! –
Welch Glück ist mir gegeben!
Robert, komm, du mein Leben!
O komm, mein Robert, o komm!
CHOR DER LANDMÄDCHEN zu Isabelle gewendet.
Welch schönes Ziel des Lebens!
Dein Herz ist tief ergriffen!
Es fleht das Unglück nicht vergebens
An dieses Herz! –
Welch Ziel deines Strebens!
Dein Herz ist tief ergriffen!
Nie wendet man umsonst sich
An dieses Herz, an dieses Herz!
ISABELLE für sich.
O! O komm, Robert, o komm, mein Leben!
Komm, o komm, o komm! –
Idol du meiner Seele, o komm,
Denn mein Herz ist ergriffen!
Nie wendet der Bedrängte
Sich vergebens an dieses Herz!

Schmelzend.

Ach, Robert! Ach, Robert!
Welch Glück ist mir gegeben!
Robert, komm, du mein Leben!
O komm, mein Robert, o komm!
Robert, komm, mein Herz ist tief ergriffen!
Nie wendet man umsonst sich an mein Herz!

Mit einigen Schritten nach links.

Welch Glück ist mir gegeben,
Komm, o komm, mein Leben, komm, o komm!
Ja, welch Glück ist mir gegeben,
Robert, du mein Leben, o komm, o komm!
CHOR DER LANDMÄDCHEN wie oben.
Welch schönes Ziel des Lebens!
Dein Herz ist tief ergriffen!
Es fleht das Unglück nicht vergebens
An dieses Herz! –
Prinzessin – voll Güte!
Sieh, dein Herz ist ergriffen! –
Wir flehen nicht vergebens zu dir,
An dein Herz, an dein Herz, an dein Herz!

Isabelle giebt den Hofdamen, Pagen und Landmädchen ein Zeichen und geht ab nach rechts.

Die Landmädchen knicksen ehrerbietig und gehen ab über die Mitteltreppe nach links.

Die Hofdamen und Pagen entfernen sich mit Isabelle nach recht.

Alice erscheint mit dem Herzog Robert von der Normandie, ohne Helm und Waffen ist, von rechts auf der Galerie.

Vierter Auftritt.

Alice mit Robert auf der Galerie.

ALICE scheint Robert Mut einzusprechen und weist nach vorn.

Nr. 6a. Recitativ.

Nur mutig! Zeigt Euch vor ihren Augen nur!
Nimmer kann sie dieses Euch wehren!
Ihr Herz wird nie für Euch ein strenger Richter sein O glaubet mir, sie wird Euch hören,
Und dies heißt ja halb schon verzeihn!

Sie zieht sich beobachtend langsam nach links zurück.

Fünfter Auftritt.

Robert allein.

Nr. 6b. Recitativ und Gebet.

Recitativ.

ROBERT tritt vor.
Wo berg‘ ich mich? Welche Schmach, welche Schande!
Ha! verschmäht und verhöhnt trag ich das Leben noch!
Und ach! selbst auf mein Schreiben wird mir keine Kunde!
Mit Angst und Zittern harr‘ ich hier,
Auch du, du wendest dich von mir,
O Isabelle, auch du, du wendest dich von mir!
Warum ließ ich vom Glanz eitlen Glücks mich bethören
Und wich im blinden Wahn vom Pfad der Ehre ab!
Ach, warum vergaß ich der Mutter Lehren
Und verschmähte den Nat, den sterbend sie mir gab! –

Gebet.

Teurer Schatten, hör‘ mein Flehen,
Wend‘, o Mutter, zu mir deinen Blick,
Ach, und send‘ aus jenen Höhen
Mir des Friedens süßes Glück!
Was ich auch verschuldet,
Stets dacht‘ ich liebend dein;
Viel hab‘ ich erduldet,
O Mutter, erbarm‘ dich mein!
Ach, erbarm‘, erbarm‘ dich mein! Ach!

Mit erstickter Stimme.

Vom Sturm hinabgezegen,
Wo mir jede Hoffnung schwand,
Ruf‘ ich, im Drang der Wogen,
Reich, o Mutter, mir deine Hand,
Reiche rettend mir deine treue Hand! –
Unschuld schützte meine Jugend,
Als dein Ruf noch zum Herzen mir drang,
Doch dahin schwand meine Tugend
Mit deiner Stimme süßen Klang.
Du mahntest voll Treue,
Des Lasters Pfad zu fliehn;
In Jammer und Rene
Welkt nun mein Leben dahin!
Weh mir! weh mir! weh mir! Ach!

Mit erstickter Stimme.

Vom Sturm hinabgezogen,
Wo mir jede Hoffnung schwand,
Ruf‘ ich im Drang der Wogen,
Reich, o Mutter, mir deine Hand,
Reiche rettend mir deine treue Hand!

Die Prinzessin Isabelle von Sicilien kommt von rechts.

Sechster Auftritt.

Robert, Isabelle zu seiner Linken. Dann zwei Pagen.

Nr. 6c. Duett.

ROBERT naht sich mit verzagten Schritten; sanft und furchtsam.
Hört gütig nun bei meinen Leiden,
Was Reue sprach!
ISABELLE lächelnd und Robert etwas ironisch nachahmend.
Was Reue sprach?
ROBERT.
Und strafet nicht durch Euer Zürnen,
Was ich verbrach!
ISABELLE wie oben.
Was Ihr verbracht?
ROBERT.
O schenkt Verzeihn meinem Flehen.
Fern von Euch sein, dies käme ja dem Tode gleich!
ISABELLE wie oben.
Dies käme ja dem Tode gleich!
Ich hätte fliehn dies Auge sollen,

Mit angenommener Strenge.

Verbannen Euch!
ROBERT erschrocken.
Verbannen mich!
ISABELLE sanft.
Weh mir! es schwankt dies Herz voll Schwäche!
Weh mir!
ROBERT.
O sprecht!
ISABELLE.
Es wankt –
ROBERT.
O sprecht –
ISABELLE.
Es wankt –

Erst mit Kraft, dann mit leiser Stimme, als fühle sie Scham bei dem Geständnisse.

Es giebt schon fast der Reue nach!
ROBERT.
O gebt, o gebt der Reue nach!
BEIDE.
O Geschick, voll von Wonne! –

Trompeten rechts außerhalb.

ISABELLE aufhorchend.
O schweiget! – Höret doch!
Vernehmt Ihr nicht diesen kriegrischen Ton?
ROBERT.
O schrecklich! Ich verlor die Waffen!

Isabelle winkt nach rechts.

Zwei Pagen kommen von rechts mit Kissen, worauf Helm, Schärpe, Schwert und Schild Roberts; sie treten zurückstehend zwischen Robert und Isabelle.

ISABELLE auf die Pagen mit den Waffen zeigend.
Da seht!
An Eure Wünsche dachte längst ich schon!

Robert hat sich vor Isabelle auf ein Knie niedergelassen.

Isabelle hängt ihm die Schärpe um und überreicht ihm das Schwert.

Die zwei Pagen treten mit Helm und Schild nach rechts hinten zu die Stufen der Mitteltreppe.

ROBERT.
Heißen Dank für ihr Gewähr!
Mein Sieg sei Euer Lohn!
Ja, mein Sieg sei Euer Lohn!
ISABELLE.
Für Euch fleh‘ ich den Himmel schon! –
Mein Herz erhebt sich und klopfet,
Es schlägt voll Hoffnung und Glück! –
Liebe, Ehre schwellt hoch den Busen,
Ja, Ihr kehrt siegreich zurück! –
Für Euch im Kampf wird dieses Herz
Nur Wünsche senden himmelwärts! –
Mein Herz erhebt sich und klopft voll Glück!
ROBERT.
Mein Herz erhebt sich und klopfet,
Es schlägt voll Hoffnung und Glück! –
Liebe, Ehre schwellt hoch den Busen,
Ja, ich kehr‘ als Sieger zurück! –
O Geschick voller Wonne!
Für mich im Kampf ihr schönes Herz
Schickt Wünsche himmelwärts!
Mein Herz erhebt sich so hoffnungsvoll,
So hoffnungsvoll, es klopft vor Glück!
Als Sieger kehr‘ ich zurück!
Mein Herz erhebt sich und es klopft,
Es schlägt voll Glück!
Es klopft voll Hoffnung und voll Glück,
Es klopft voll Hoffnung und Glück!

Recitativ.

ISABELLE.
Euch seh‘ ich wieder?
ROBERT.
Hört mich, güt'ge Fürstin!

Er läßt sich vor Isabelle auf ein Knie nieder.

Laßt mich Vergebung hoffen!
Liebe wird –
ISABELLE.
Vergeben wird dies allzuschwache Herz!
Von Liebe aber wagt nur dann zu sprechen,
Wenn Ihr mit Mut gekämpft in jenen Schranken!
Dort ist meine Hand des Siegers Preis!
ROBERT sich erhebend.
Weh mir! Ein tückisch Spiel
Hat mir die Waffen, hat alles mir geraubt!

Isabelle winkt nach rechts.

Zwei Pagen kommen von rechts mit Kissen, worauf Helm, Schärpe Schwert und Schild Roberts; sie treten zurückstehend zwischen Robert und Isabelle.

ISABELLE.
Mißtraut dem Glück der Liebe nie,
Selbst der gekränkten nicht!

Auf die Pagen mit den Waffen zeigend.

Sie reicht Euch Waffen jetzt zum Kampf!

Robert hat sich vor Isabelle auf ein Knie niedergelassen.

Isabelle hängt ihm die Schärpe um und überreicht ihm das Schwert.

Die zwei Pagen treten mit Helm und Schild nach rechts hinten an die Stufen der Mitteltreppe.

ROBERT aufstehend.
O Himmel! Bewehrt durch Eure Hand!

Trompeten rechts außerhalb.

ISABELLE dorthin zeigend.
Hört Ihr den Ruf?
Er fordert Euch zum Kampf!
ROBERT.
Er ruft zum Siege!

Er küßt Isabelle die Hand.

Isabelle entfernt sich nach links.

Bertram ist einem Phantome gleich von links auf der Galerie erschienen.

Ein Waffenherold von geisterhaftem Wesen folgt ihm, in Kleidung den andern Herolden ziemlich ähnlich, doch durch merkliche Unterschiede, welche an Bertram erinnern können, sich auszeichnend: bleiches geisterhaftes Gesicht, mephistoartige Haar- und Barttracht, im Gang etwas Schleichendes, Unnatürliches, im ganzen Wesen andeutend, daß böse Mächte walten.

Siebenter Auftritt.

Robert rechts vorn. Die beiden Pagen Isabelles rechts hinten. Bertram. Der Waffenherold. Dann der schwarze Ritter, zwei schwarze Pagen.

Bertram in der Mitte oben angekommen, weist stumm auf Robert.

ROBERT nach vorn tretend, indem er wie zum Schwur das Schwert hochhebt.
Ja! in dem Waffenspiel,
Wo Tapferkeit entscheidet,
Besieg‘ den Gegner ich!
BERTRAM im Hintergrunde für sich.
Ja, wenn es mir gefällt!
ROBERT.
Möchte bald es sich fügen,
Daß kühlend meine Rache,
Ich im ernsten Kampf,
Aug‘ in Aug‘ ihm allein –

Der Waffenherold steigt ungesehen von den Pagen Isabelles die Stufen herunter und geht in gemessenen und feierlichen Schritten auf Robert zu, stellt sich in seiner unmittelbaren Nähe auf und läßt seinen Heroldsstab auf den Boden stoßen.

ROBERT wendet sich um; zum Waffenherold.
Was wollet Ihr?

Bertram geht langsam auf der Galerie ab nach rechts.

Der Waffenherold zeigt nach links hinten.

Der schwarze Ritter eine behelmte und geharnischte Gestalt, in einen langen schwarzen Mantel gehüllt, ist gleich nach Bertrams Verschwinden von links hinten auf der Galerie erschienen.

Zwei schwarze Pagen welche Schild und Lanze tragen, folgen dem schwarzen Ritter.

DER WAFFENHEROLD mit geisterhafter Stimme, fast unbeweglich. Robert starr ins Gesicht sehend.
An dich, Robert von Normandie
Schickt diesen Fehde-Aufruf
Granadas Prinz durch mich,
Und fordert so zum Kampfe dich,
Nicht im Turnier zum Spiel,
Auf Leben oder Tod!

Der schwarze Ritter schaut nach Robert, weist nach rechts und verschwindet schweigend und im feierlichen Schritt nach dort.

Die schwarzen Pagen folgen nach rechts.

ROBERT im Wahn, den Prinzen von Granada zu erblicken, erhebt freudig erregt sein Schwert.
O mein Wunsch ist erfüllet!
Sein Verderben nun sicher!
Er fordert mich zum Kampf,
Ich folg‘ dem Aufgebot!
DER WAFFENHEROLD sich zum Gehen wendend und nach rechts weisend.
Komm! in dem nahen Wald
Wirst du den Gegner finden!

Er geht feierlich über die Mitteltreppe ab nach rechts.

ROBERT.
Und sein Grab, er oder ich!

Er folgt dem Waffenherold, nachdem er den rechts hinten am Bogestehenden Pagen Isabelles Helm und Schild abgenommen.

Die zwei Pagen Isabelles gehen ab nach links.

Königszug.

Vier Königsherolde, sechs Geharnischte, zwölf Ritter kommen von links über die Mitteltreppe.

Zwölf Hofdamen, Alice, Raimbaud, zwölf Landmädchen ebenso von rechts über die Mitteltreppe.

Ein Hauptmann mit zehn Mann Wachen, der Majordomus, zwei Königsbannerträger, zwei Königspagen, der König von Sicilien mit der Prinzessin Isabelle, zwei Königspagen, zwei Hofdamen kommen von links über die Mitteltreppe.

Volk und Zigeuner treten von rechts und links auf die Galerie.

Achter Auftritt.

Der König. Isabelle. Der Majordomus. Geharnischte. Ritter. Hofdamen. Herolde. Bannerträger. Pagen. Ein Hauptmann. Wachen. Alice. Raimbaud. Landmädchen. Volk. Zigeuner.

Die Geharnischten gehen während des Chores zum Thron, verneigen sich vor dem König und Isabelle und wenden sich dann nach links in ihre Stellung.

Nr. 6d. Chor mit Tanz.

VOLKSCHOR.
Kommt herbei, sie zu geleiten,
Treues Volk, von allen Seiten,
Feiert ihre Trefflichkeit!
Nimm die Huld'gung unsrer Liebe,
Daß ein Vorbild sie dir bliebe,
Einer nahen frohen Zeit!
Möge stets nach unserm Flehen
Segen dir zur Seite stehen,
Die stets zum Segnen bereit!
Kommt herbei, sie zu geleiten,
Treues Volk, von allen Seiten,
Feiert ihre Trefflichkeit!
Feiert hoch! auf feiert, feiert hoch!
Kommt herbei, feiert hoch,
Feiert ihre Trefflichkeit!

Die Tänzerpaare treten von links über die Mitteltreppe ein.

Neunter Auftritt.

Die Vorigen. Die Tänzerpaare.

Nr. 7. Ballett.

Die Tänzerpaare ziehen sich nach Beendigung des Balletts über die Mitteltreppe nach rechts zurück.

Der Ceremonienmeister kommt von links über die Mitteltreppe.

Ein Königswaffenherold folgt ihm.

Bertram tritt gleichzeitig links ganz vorn ein.

Zehnter Auftritt.

Die Vorigen. Der Ceremonienmeister und der Königswaffenherold in der Mitte. Bertram links ganz vorn.

Nr. 8. Finale.

WAFFENHEROLD.
Wenn alle Ritter jetzt ihrer Dame zu Ehren
In das Turnier ziehn zum männlichen Streit,
Dem Prinzen von Granada
Mögst dann auch du gewähren,
Daß ihm deine Hand Waffen beut.

Isabelle zögert mit der Antwort.

König bestehlt ihr mit bestimmter Gebärde die Annahme.

Isabelle giebt dem Ceremonienmeister einen Wink.

Der Ceremonienmeister tritt nach hinten und giebt nach links ein Zeichen.

Der Waffenherold folgt ihm nach hinten.

Der Majordomus wendet sich nach links vorn.

BERTRAM links ganz vorn, für sich.
Ha, ich siege! Er schon hier! –
Und Robert dort zurück
Im tiefen Wald gehalten! –
Robert, den ein Blendwerk täuscht,
Sucht umsonst den Rival,
Beschützt von meinem Walten!

Der Prinz von Granada ein Maurenfürst in edelster Haltung kommt von links über die Mitteltreppe; ihm folgen:

Zwei Granadapagen mit einem turbanartigen Helm, Schärpe, Schwert und Schild.

Zwei Bannerträger mit seinen Bannern.

Fünf Maurenritter in Kleidung dem Prinzen ähnlich, und in seinen Farben.

Acht Waffenherolde in seinen Wappen mit ihren Stäben.

Elfter Auftritt.

Die Vorigen. Der Prinz von Granada. Seine Maurenritter, Bannerträger, Pagen und Waffenherolde.

Der Ceremonienmeister nimmt zurückstehend die Mitte.

Sein Waffenherold steht ihm zur Seite.

Die acht Granadawaffenherolde bleiben auf den obern Stufen der Mitteltreppe stehen.

Der Prinz von Granada geht bis zum Thron rechts vorn, verneigt sich und verharrt in unmittelbarer Nähe Isabelles.

Die fünf Maurenritter nehmen, sich verneigend, die Mitte.

Die zwei Granadapagen stellen sich vor die Maurenritter.

Die Granadabannerträger nehmen am Fuß der Mitteltreppe Aufhellung.

Der Ceremonienmeister wendet sich nach links vorn.

DIE ACHT GRANADAWAFFENHEROLDE.
Zinken ertönt! dem Ritter gebt die Ehre,
Dessen Panier zum Stern wir erwählt.
Zinken ertönt, zum Kampf ihm haben
Amor und Mars den Arm gestählt.
Heil dem Panier, das wir erwählt. –
ALICE.
Mein junger Herr erscheint noch nicht!
RAIMBAUD.
Verzweifeln muß man deshalb nicht!
ALICE.
Jetzt, wo sich der Kampfplatz ihm öffnet,
Warum versäumt er seine Pflicht?
RAIMBAUD.
Allein bedenk, daß uns fort zur Kapelle
Ruft eine Pflicht, eine süße Pflicht!
ALICE.
Ach, Robert erscheint noch nicht!
BERTRAM für sich.
Robert kommt sicher nicht!
RAIMBAUD.
Denke, daß zur Kapelle ruft die süße Pflicht!
ALICE.
O weh, Robert erscheint noch nicht!
BERTRAM wie oben.
Robert! Robert kommt sicher nicht!

Der Prinz von Granada winkt seinen Pagen.

Die zwei Granadapagen treten nahe zum Thron rechts vorn.

Der Prinz tritt vor den Thron und läßt sich auf ein Knie nieder.

Isabelle hängt ihm die einem der Granadapagen entnommen Schärpe um.

Der Prinz erhebt sich, verneigt sich tief, setzt den Helm auf, er greift das Schwert, erhebt es wie zum Schwur, umgürtet sich dann und ergreift den Schild; dann tritt er, dem Thron zur Linken zurück vor seine Pagen.

Trompetenrufe rechts außerhalb.

CHOR.
Hört die Trommeten! es rufet die Ehre!
Ritter herbei! bewaffnet euch!
Nur für den Ruhm, für seine Dame,
Führt jeder kühn des Schwertes Streich!
DIE ACHT GRANADAWAFFENHEROLDE.
Des Kampfes Signal rufet euch!
CHOR.
Ha!

Die vier Königsherolde treten vor, zwischen sich breiten Raulassend.

Der Prinz tritt beim ersten Trompetenruf vor den Thron.

Die Granadapagen wenden sich hinter ihn.

Die fünf Maurenritter schließen sich an.

Der Prinz und sein Gefolge verbeugen sich vor dem Thron und wenden sich zum Gehen.

Der Ceremonienmeister und die Granadabannerträger am Fuß der Treppe gehen über die Mitteltreppe nach rechts voran.

Die acht Granadawaffenherolde auf den obern Stufen der Mitteltreppe folgen den Bannerträgern.

Der Prinz, seine Pagen, seine Maurenritter ebenso.

Zwölfter Auftritt.

Die Vorigen ohne den Prinzen und sein Gefolge.

Isabelle erhebt sich.

König ebenso.

ISABELLE.
Dies ist zum Turnier das Sigual!
Auf, zu den Waffen, Ritter all!

Die sechs Geharnischten folgen dem Prinzen.

ISABELLE.
Kriegstrommeten erschallen
Weit durchs Morgenrot;
Wo die Banner jetzt wallen,
Gilt's Sieg oder Tod!

König tritt herunter und wendet sich nach rechts vorn.

ISABELLE ebenso; für sich.
Ehre ruft durch das Erz,
O Robert, es traf dein Herz!
Ehre ruft durch das Erz! Ach, Robert!
ALICE.
Ach, Robert kommt immer nicht!
Ehre ruft, ach, Robert, Ehre ruft!
Er kommt immer noch nicht!
RAIMBAUD.
Ach, Robert kommt immer nicht!
Ehre ruft, ach, Robert, Ehre ruft!
Fort zum Siege oder Tod!
HOFDAME.
Ehre ruft, es ruft der Ruhm!
Fort zum Siege oder Tod!
EIN RITTER.
Der Ruhm, die Ehre, die Ehre ruft!
Es ruft die Ehre und der Ruhm!
Fort zum Siege oder Tod!
ISABELLE.
O träf‘ es dein Herz, träf‘ es dein Herz!

Die Hofdamen treten auf der rechten Seite näher.

Die zwölf Ritter kommen nach links weiter vor.

Der Majordomus und die vier Königspagen vor dem Thron bilden in der Mitte Spalier.

König wendet sich im leisen Gespräch zu den Hofdamen und Rittern.

CHOR.
Kriegstrommeten erschallen
Weit durchs Morgenrot;
Wo die Banner jetzt wallen,
Gilt's Sieg oder Tod!
ISABELLE.
Die Zinken rufen! auf, Ritterschar,
Die Hand an Lanz und Schwert!
Für seine Dame und Ruhm nur kämpfet
Der Rittersmann mit Stolz und Lust!
CHOR.
Herbei! die Hand an Lanz und Schwert!
Für Ruhm nur kämpfet, für Ehre nur!
Die Zinken rufen! auf, zum Kampf, ihr Ritter!
ISABELLE für sich.
O wie mir das Herz erbebet,
Ach, ihn sucht umsonst mein Blick!
Liebe rufet ihn zum Kampfe,
Welche Macht hält von mir ihn zurück,
Welche Macht hält ihn nur zurück!
Weh mir, umsonst sucht ihn mein Blick!

Zu den Rittern.

Hinweg, nun fort! Ha!
Kriegstrommeten erschallen
Weit durchs Morgenrot;
Wo die Banner jetzt wallen,
Gilt's Sieg oder Tod!
Ehre ruft durch das Erz,
O Robert, es traf dein Herz!
Ehre ruft durch das Erz! Ach, Robert!
ALICE.
Ach, Robert kommt immer nicht!
Ehre ruft, ach, Robert, Ehre ruft!
Er kommt immer noch nicht!
RAIMBAUD.
Ach, Robert kommt immer nicht!
Ehre ruft, ach, Robert, Ehre ruft!
Fort zum Siege oder Tod!
HOFDAME.
Ehre ruft, es ruft der Ruhm!
Fort zum Siege oder Tod!
EIN RITTER.
Der Ruhm, die Ehre, die Ehre ruft!
Es ruft die Ehre und der Ruhm!
Fort zum Siege oder Tod!
ISABELLE.
O träf‘ es dein Herz, o träf‘ es dein Herz!

Die beiden Königsbannerträger, der Majordomus, der Waffenherold, zwei Königsherolde, der König, Isabelle, zwei Königsherolde, die vier Königspagen wenden sich zum Abgang über die Mitteltreppe nach rechts.

Die Hofdamen und Ritter verneigen sich tief, dann folgen sie, anfangs direkt nach vorn gehend, dann nach der Mitte einschwenkend.

Der Hauptmann und die Wachen lassen den Zug an sich vorüber und schließen sich als die Letzten an.

Die Landmädchen, das Volk und die Zigeuner sind in jubelnder Bewegung.

Bertram steht, ironisch lächelnd, ruhig und gelassen links vorn.

CHOR.
Kriegstrommeten erschallen
Weit durchs Morgenrot;
Wo die Banner jetzt wallen,
Gilt's Sieg oder Tod!

Dritter Aufzug.

Nr. 9. Zwischenakt, Recitativ und Duett.

Der Vorhang hebt sich im einundzwanzigsten Takte.

Öde Felsschlucht. Von rechts ein schräg nach links ablaufender Waldweg. Rechts Mitte, doch mehr nach der Seite zu, ein auf Stufen stehendes hölzernes Krenz. Links ein mächtiger Felsvorsprung mit natürlicher Spaltung, welche als Eingang zu einer Höhle diem Wildbach.

Abenddämmerung.

Erster Auftritt.

Der Landmann Raimbaud kommt von rechts über den Waldweg Bertram steht unbeweglich in seinen Mantel gehüllt, links an einen Fels gelehnt.

Recitativ.

RAIMBAUD bleibt wie sich zurechtsuchend, am Kreuze rechts stehen.
Zum Stelldichein fand ich die rechte Spur.
BERTRAM ihn betrachtend, ohne sich zu bewegen.
Ist dieses nicht der fremde Troubadour?
RAIMBAUD in die Mitte kommend.
Den der gestrenge Herr wollte heut‘ hängen lassen.
BERTRAM spöttisch.
Stets nur halb thut er, was zu thun er doch beschließt.

Er verläßt seine Stellung und kommt Raimbaud einen Schritt näher.

Doch was willst du?
RAIMBAUD treuherzig.
Alice hier erwarten,
Die noch heute zum Manne mich nimmt.
Alice, die nichts hat, und ich beinah noch minder.
Sonst wohl wären wir ein Paar
Der glücklichsten Kinder.
BERTRAM greift mit rohem Lachen in seinen Mantel.
Ist's weiter nichts! da! nimm!

Er wirft ihm eine Börse zu.

RAIMBAUD nachsehend, mit komischer Freude.
Ist's denn wahr? Element! Das ist Gold!
BERTRAM verächtlich, für sich.
Wieder einer glücklich gemacht!
Und durch mich! Wer hätte das gedacht!

Duett.

RAIMBAUD bald Bertram, bald das Gold betrach tend, für sich.
Ach, welche Großmmt!
BERTRAM höhnisch für sich, sich selbst bemitleidend.
Meine Großmut!
RAIMBAUD stets wie vorher.
Das muß ich loben!
BERTRAM ebenso.
Mich noch loben!
RAIMBAUD.
Das nenn‘ ich Proben –
BERTRAM.
Nennt er Proben –
RAIMBAUD.
Von Menschlichkeit!
BERTRAM.
Von Menschlichkeit!
RAIMBAUD.
Aus schuld'ger Pflicht –
BERTRAM.
Wollt‘ ich den Wicht –
RAIMBAUD.
Sei ihm geweiht –
BERTRAM.
Mein wär‘ er heut‘!
RAIMBAUD für sich.
Treuer Gehorsam,
Dankbare Folge
Für eine solche
Wohlthätigkeit.
BERTRAM für sich.
Menschliche Schwäche,
Wie schnell dich kirret,
Lockt und verwirret
Wohlthätigkeit.
RAIMBAUD für sich.
Dankbare Folge
Für eine solche
Wohlthätigkeit
Sei ihm geweiht!
BERTRAM wie vorher.
Ha, meine Großmut!
RAIMBAUD ebenso.
O welche Großmut!
BERTRAM.
Mich noch zu loben!
RAIMBAUD.
Das muß ich loben!
BERTRAM.
Das nennt er Proben –
RAIMBAUD.
Das nenn‘ ich Proben
BEIDE.
Von Menschlichkeit!
RAIMBAUD.
Aus schuld'ger Pflicht –
BERTRAM.
Wollt‘ ich den Wicht –
RAIMBAUD.
Sei ihm geweiht –
BERTRAM.
Mein wär‘ er heut‘!
RAIMBAUD für sich.
Treuer Gehorsam,
Dankbare Folge
Für eine solche
Wohlthätigkeit!
BERTRAM für sich.
Elende Menschen,
Ihr könnt doch nimmer
Des Goldes Schimmer
Fest widerstehn!
RAIMBAUD wie vorher.
Ach, welche Großmut!
BERTRAM ebenso.
O meine Großmut!
RAIMBAUD.
Das muß ich loben!
BERTRAM.
Mich noch zu loben!
RAIMBAUD für sich.
Ach, welche Großmut!
Das muß ich loben!
Das neun‘ ich Proben
Von Menschlichkeit!
BERTRAM für sich.
Menschliche Schwäche,
Wie schnell dich kirret,
Verlockt, verwirret
Wohlthätigkeit!

Vertraulich.

Heut‘ also wirst du noch verbunden?
RAIMBAUD.
Ja, lieber Herr! Ja, lieber Herr!
BERTRAM mit rohem Lachen.
O wie so albern!
RAIMBAUD stutzend.
Wie denn, so albern?
Die Allerschönste hab‘ ich gefunden.
BERTRAM nähert sich ihm, mit verführerischem Tone.
Wenn wie du ich wär‘, wartet‘ ich,
Wählte dann Sausfaçon für mich.
RAIMBAUD betroffen und verwirrt.
Ihr wähltet dann -?
BERTRAM ihn immer mehr zu überzeugen suchend.
Ganz sicherlich!
Du bist jetzt reich, und ich will wetten,
Die Mädchen all‘ in Dorf und Städten,
Sie streiten sich nunmehr um dich.
RAIMBAUD überrascht und geschmeichelt.
Das glaubet Ihr?
BERTRAM mit Bestimmtheit.
Das glaube ich.
RAIMBAUD für sich.
Fürwahr – fürwahr,
Fürwahr! solch ein Großer verstehet
Sich besser darauf wohl als ich.

Vollständig von den Einflüsterungen Bertrams beherrscht, zeigt er sich von hier ab in seinem Wesen wie verändert.

BERTRAM zu Raimbaud.
Ich wählte, ja!
RAIMBAUD.
Ihr wähltet, ja?
BERTRAM.
Ich wählte, ja!
RAIMBAUD für sich.
Ja, solch ein großer Herr verstehet
Besser sich wohl darauf als ich;
Er versteht sich besser drauf
Als ich, ja als ich!

Er hat Alice vergessen, Leichtsinn und Frivolität sprechen aus ihm.

BERTRAM für sich.
Menschliche Schwäche,
Wie schnell dich kirret,
Lockt und verwirret
Wohlthätigkeit.
RAIMBAUD wie oben, bald Bertram, bald das Gold betrachtend.
O welche Großmut!
BERTRAM höhnisch für sich, sich selbst bemitleidend.
Meine Großmut!
RAIMBAUD wie vorher.
Das muß ich loben!
BERTRAM ebenso.
Er mich loben!
RAIMBAUD.
Das nenn‘ ich Proben –
BERTRAM.
Nennt er Proben –
BEIDE.
Von Menschlichkeit!
BERTRAM.
In dem Wechsel nur ist Leben!
RAIMBAUD.
In dem Wechsel nur ist Leben?
BERTRAM.
Er allein nur gewährt uns Glück.
RAIMBAUD.
Er allein nur gewährt uns Glück?
BERTRAM.
Lust und Scherz laß nur dich umschweben,
Ihnen nur weih‘ der Liebe Blick.
RAIMBAUD.
Die Lust –
BERTRAM.
Die Lust –
RAIMBAUD.
Der Scherz –
BERTRAM.
Der Scherz –
RAIMBAUD.
Ihnen nur weih‘ ich Liebesblick!
BERTRAM.
Ihnen nur weih‘ der Liebe Blick!
RAIMBAUD.
Also dürft‘ ich mir alles vergönnen?
BERTRAM lächelnd seinen Arm um Raimbauds Schulter legend; verführerisch.
Ein Fehltritt ist nur Kleinigkeit,
Zur Reue ist noch immer Zeit – noch Zeit,

Lachend.

Wenn wir nicht fündigen mehr können!
BEIDE.
Ein Fehltritt ist nur Kleinigkeit,
Zur Rene ist noch immer Zeit – noch Zeit,
Wenn wir nicht sündigen mehr können!
RAIMBAUD einfältig.
Diese Lehre behagt mir sehr!
Mit Freunden will ich dann,
Um besser sie zu merken,
Beim vollen Glase Wein
Mich dazu stärken!
BERTRAM lachend.
Trinken! – Trinken! – Sehr gut! – Sehr gut!
Dadurch lernst du noch vieles mehr,
Wer trinkt, der hat zu allem Mut,
Noch vieles lernst du dadurch mehr!
RAIMBAUD wie oben, bald Bertram, bald das Gold betrachtend.
Ach, welche Großmut!
BERTRAM wie oben, höhnisch für sich, sich selbst bemitleidend.
Meine Großmut!
RAIMBAUD wie vorher.
Das muß ich loben!
BERTRAM ebenso.
Mich noch loben!
RAIMBAUD.
Das nenn‘ ich Proben –
BERTRAM.
Nennt er Proben –
RAIMBAUD.
Von Menschlichkeit!
BERTRAM.
Von Menschlichkeit!
RAIMBAUD.
Aus schuld'ger Pflicht –
BERTRAM.
Wollt‘ ich den Wicht –
RAIMBAUD.
Sei ihm geweiht –
BERTRAM.
Mein wär‘ er heut‘!
RAIMBAUD für sich.
Treuer Gehorsam,
Dankbare Folge
Für eine solche
Wohlthätigkeit!
BERTRAM für sich.
Elende Menschen,
Ihr könnt doch nimmer
Des Goldes Schimmer
Fest widerstehn!
RAIMBAUD für sich.
Dankbare Folge
Für eine solche
Wohlthätigkeit
Sei ihm geweiht!
BERTRAM wie vorher.
Ha, meine Großmut!
RAIMBAUD ebenso.
O welche Großmut!
BERTRAM.
Mich noch zu loben!
RAIMBAUD.
Das muß ich loben!
BERTRAM.
Das nennt er Proben –
RAIMBAUD.
Das nenn‘ ich Proben
BEIDE.
Von Menschlichkeit!
RAIMBAUD.
Aus schuld'ger Pflicht –
BERTRAM.
Wollt‘ ich den Wicht –
RAIMBAUD.
Sei ihm geweiht –
BERTRAM.
Mein wär‘ er heut‘!
RAIMBAUD für sich.
Treuer Gehorsam,
Dankbare Folge
Für eine solche
Wohlthätigkeit!
BERTRAM für sich.
Elende Menschen,
Ihr könnt doch nimmer
Des Goldes Schimmer
Fest widerstehn.
RAIMBAUD wie vorher.
Ach, welche Großmut!
BERTRAM ebenso.
O meine Großmut!
RAIMBAUD.
Das muß ich loben!
BERTRAM.
Mich noch zu loben!
RAIMBAUD für sich.
Ach, welche Großmut,
Gewalt'ge Großmut,
Horrende Großmut,
Stupende Großmut
Das nenn‘ ich Proben
Von Menschlichkeit!
BERTRAM für sich.
Menschliche Schwäche,
Wie schnell dich kirret,
Verlockt, verwirret
Wohlthätigkeit!

Raimbaud eilt lachend, nur an Zerstreuungen und Belustigungen denkend, nach rechts ab über den Waldweg.

Zweiter Auftritt.

Bertram allein. Chor der Dämonen unten. Dann das Landmädchen Alice.

Recitativ.

BERTRAM höhnisch und mit teuflischem Lachen Raimbaud nachblickend.
Wieder einer nun mein! er ward glorreich erworben,
Freuen soll sich die Hölle daran –

Dumpfer entfernter Donner aus der Höhle links.

Es wird ganz dunkel.

Und ich lache der Qual, daß er ewig verdorben,
Da doch im Augenblick die Rächer selbst mir nahn.
Gefallner Engel, Gebieter! Mein Oberherr! – Welch Beben!
Er ist da, er ist da, er harret mein!

Mit dem Einsatz des übermäßigen Terz-Quart-Accordes auf C mächtiger Donnerschlag in der Höhle links, Blitze zucken daraus empor; der Sturm entfesselt sich und jagt graues Gewölk am Horizont vorüber.

BERTRAM fährt entsetzt zusammen und taumelt, das Gesicht der Höhle abgewendet, nach rechts.
Das Geschrei hör‘ ich schon und den Jubel der Hölle!

Schwacher Donner.

Hörner ganz vorn, von unten heraufdringend.

Wie sie toben und schrein, zu vergessen ihre Qual,
Um den nächtlichen Thron!

Nr. 10. Höllenwalzer, Chor. Recitativ.

Sturm, Donner, Blitze, Windstöße, sekundenlange Flammen aus der Höhle während der Takte vor dem Chor.

Bertram steht inmitten der entfesselten Elemente zwar noch aufrecht, aber nur mit Mühe zwingt er seine Kräfte, ihn nicht zu verlassen.

CHOR DER DÄMONEN unten.
Dämone, Phantome,
Den Himmel verlacht!
Im düsteren Dome
Durchschwelget die Nacht!

Der Sturm wurde während des Chores schwächer, die acht Takte nach dem Chor rast er mit erneuter Wucht.

BERTRAM verzweifelt.
O mein Sohn! o für dich,
Der mir der Güter höchstes,
Trotzte ich, trotzte ich schon dem Himmel,
Trotzte ich noch, trotzte der Hölle ich!
CHOR DER DÄMONEN.
Durchschwelget die Nacht!
Dämone, Phantome,
Den Himmel verlacht!
Im düsteren Dome
Durchschwelget die Nacht! –
Ruhm dem Meister, der uns leitet,
In dem Tanz voraus uns schreitet.
Ruhm dem Meister, der uns leitet
BERTRAM.
Für den Ruhm, der entwichen,
Für den Glanz, der mir verblichen,
Warst du mein Trost, ja du,
Nur durch dich fühlt‘ ich Ruh‘!
CHOR DER DÄMONEN.
Ruhm dem Meister,
Der uns leitet,
Und im Tanze
Vor uns schreitet!
Durchschwelget die Nacht!
Dämone, Phantome,
Durchschwelget die Nacht! –
BERTRAM.
Robert! – Mein Sohn! – Robert! – Robert
Mein Sohn! Robert! mein Sohn! mein Sohn!
CHOR DER DÄMONEN.
Im düsteren Dome
Durchschwelget die Nacht!
BERTRAM.
O für dich, o für dich,
Für dich, der Güter höchstes
Trotzte ich schon dem Himmel,
Der Hölle trotze ich!
Ja, der Hölle trotze ich!
CHOR DER DÄMONEN.
Ruhm dem Meister, der uns leitet,
Und im Tanze vor uns schreitet!
BERTRAM.
Trotzte schon dem Himmel ich,
Der Hölle auch trotz‘ ich für dich, der Hölle!
Ja, der Hölle trotze ich!
Ja, für dich, der Güter höchstes
Trotzte ich ja schon dem Himmel,
Und der Hölle trotze ich!
CHOR DER DÄMONEN.
Ruhm dem Meister, der uns leitet,
In dem Tanze vor uns schreitet!
Ruhm dem Meister, der uns leitet!
Ruhm dem Meister, Ruhm!

Mächtiger Donnerschlag, hohe Flammen schlagen aus der Höhle links empor.

Bertram stürzt mit dem Aufwand der letzten Kräfte gegen die Höhle aus welcher ihm Flammen entgegenlodern; er macht eine beschwören Gebärde mit der Hand.

Der Sturm schweigt.

Bertram stürzt in die Höhle.

Donner und Blitz, Flammen schlagen hinter ihm empor; der Sturm bricht sofort nochmals auf einen Augenblick mit ganzer Gewalt los, dann legt er sich allmählich.

Es wird langsam wieder heller, ein Regenbogen zeigt sich am Horizont.

Recitativ.

DAS LANDMÄDCHEN ALICE rechts außerhalb.
Raimbaud!

Das Echo antwortet.

Sie kommt von rechts über den Waldweg.

Dritter Auftritt.

Alice allein. Dann Chor der Dämonen.

ALICE.
Raimbaud!

Sie bleibt oben, dem Echo lauschend, stehen.

An dem einsamen Orte
Giebt nur Echo mir Antwort. Ach, mein Herz ist so bang!

Sie sieht sich ängstlich um, erblickt auf der rechten Seite das Kreuz, eilt dorthin, sinkt auf die Kniee und bleibt vor demselben einen Augenblick im stummen Gebete liegen; dann erhebt sie sich und geht in trüber Stimmung vor.

Die Erste bin ich, die sich eingefunden?
Hier warten läßt er mich, welche Schmach!
Und er selbst, er kommt zu spät
Am Hochzeitstag!

Sie setzt sich auf ein Felsstück, und scheint Raimbaud erwarten zu wollen; ihre gute Laune kehrt wieder, sie verliert sich in Erinnerungen.

Nr. 11. Romanze und Scene.

ALICE.
Eh‘ ich die Normandie verlassen,
Sagte mir ein Klausner, lobesan:
Willst du das schönste Glück erfassen,
So nimm dir einen treuen Mann.
Nun, ach! ich warte schon!
O Patronin der armen Mädchen,
Patronin du der treuen Liebe,
Die du allen mit Hilfe nah,
Hilf mir, verlassen steh‘ ich da,
O sieh, verlassen steh‘ ich da!
Die du allen mit Hilfe nah,
O hilf, verlassen steh‘ ich da!

Es wird wieder dunkel.

Erst ganz schwacher, dann starker Donner; Wetterleuchten.

ALICE.
Der Sonne Licht, wie schnell es jetzt verlischt!
Woher der Lärm, der mit Graun mich erfüllt? –
Ein Ungewitter naht, wo soll ich mich verbergen?

In ihrer Angst will sie sich zur Flucht nach rechts wenden.

Es tritt Ruhe ein und wird wieder heller.

ALICE preßt die Hand aufs Herz, kehrt beklommen um, unentschlossen, was sie thun soll.
Nein! o nein! es ist nichts! Gott sei Dank! Nein!

Sie sucht sich durch Wiederholung ihres Liedchens über ihre Angst hinwegzuhelfen.

Raimbaud sprach einst: mein süßes Leben,
Treu ist mein Herz, es wanket nicht.
Ach! wer weiß, ob er nicht bei andern jetzt
Vielleicht schon dasselbe spricht!
Und ich! ich harre sein!
O Patronin der armen Mädchen,
Patronin du der treuen Liebe,
Die du allen mit Hilfe nah,
Hilf mir, verlassen steh‘ ich da,
O sieh, verlassen steh‘ ich da!
Die du allen mit Hilfe nah,
O hilf, verlassen steh‘ ich da!

Es wird dunkler wie das erste Mal, der Donner heftiger.

ALICE.
O Gott, welch ein Getöse! –

Blitz und Donner.

Vor Angst erbebt die Seele! –

Mächtiger Blitz und Donmerschlag.

Die Erde zittert unter mir!
Hinweg! Hinweg!

Sie will entsetzt nach rechts fliehen, als sie aus der Höhle den Namen Robert rufen hört.

CHOR DER DÄMONEN unten.
Robert! Robert! Robert!
ALICE in höchster Angst, mit dem Entschluß kämpfend zu fliehen oder zu bleiben, schlägt zitternd das Kreuz.
Ha, was für Stimmen hier?
CHOR DER DÄMONEN wie vorher.
Robert! Robert! Robert!
ALICE.
Roberts Namen sie rufen!
Welche Gefahr mag vielleicht ihn bedrohen?

Sie sieht nach der Höhle links.

Von hier aus kann man, glaube ich,
In die Schlucht hinunter schaun.

Sie geht einige Schritte nach links.

Heftiger Blitz und Donnerschlag.

ALICE zurückbebend.
Großer Gott! Blitze leuchten!
Welche Angst!

Sie zaudert, dann entschlossen.

Vorwärts denn!

Auf den Knieen, mit gefalteten Händen, als ob ihr die Angst die Stimme raubt.

Mein Gott – mein Gott – beschütze mich!

Fast gesprochen.

Du, der zu hohem Zweck der frommen Unschuld Wirken
Schon oft erlesen hast, sei gnädig mir!
Dein Wille sei erfüllt,

Mit Kraft.

mein Gott, beschütze mich!

Sie nähert sich zitternd dem Eingang der Höhle und wirft einen Blick hinein.

Mächtiger Blitz und Donnerschlag.

Helles Rot in der Höhle.

CHOR DER DÄMONEN unten.
Robert! – Robert!
ALICE stößt einen Schrei aus.
Ha!

Sie taumelt zurück nach dem hölzernen Kreuze, an welches sie sich anklammernd ohnmächtig zusammenbricht.

Blitz und Donner, bis Bertram hervorgetreten ist.

Bertram wankt bleich, völlig erschöpft und mit verstörtem Wesen aus der Höhle.

Flammen schlagen hinter ihm hervor.

Es wird wieder hell.

Das helle Rot in der Höhle erlischt.

Vierter Auftritt.

Alice ohnmächtig am Kreuze. Bertram.

Bertram klammert sich, um sich aufrecht zu erhalten, an den Felsen links.

Recitativ.

BERTRAM.
Das Urteil ist gefällt, der Spruch unwiderruflich!
Ich verlier‘ ihn für immer, man entreißet ihn mir,
Giebt er sich nicht mir ganz, auf ewig, für und für,
Bis Mitternacht!
ALICE kommt allmählich zu sich und erinnert sich des Erleblen; entsetzt blickt sie um sich und nach dem Eingang der Höhle, wo Bertram steht; sie hat seine Worte gehört und Angst und Beben entpressen ihrer Brust die Worte:
Mitternacht! Ach, entsetzlich!

Sie sinkt erschöpft am Kreuz in die Kniee.

BERTRAM sich erschrocken umsehend.
Wer sprach denn hier? – Wer ist zugegen hier?
Wer las denn so mir die Gedanken?

Er bemerkt Alice und nimmt eine lächelnde Miene an.

Alice erhebt sich zitternd, Bertrams Blick vermeidend.

BERTRAM.
Ha, seht einmal, die süße holde Braut, du, Alice!
Warum denn gesenkten Blicks?
ALICE.
Ach, meine Kräfte schwinden!

Sie ermannt sich, um den Waldweg nach rechts einzuschlagen.

Bertram bannt sie mit einer Gebärde an ihren Platz.

Nr. 12. Duett und Scene.

BERTRAM lachend.
Nun, Alice – was ist dir?
ALICE kaum ihrer Sinne mächtig, mit erstickter Stimme.
Ach – ach – mein Gott!
BERTRAM.
Komm – komm hierher!
ALICE macht einen Schritt nach vorn, fast gesprochen.
Ach – wie ich bebe!
BERTRAM.
Komm – komm zu mir!
ALICE.
O mein Gott!
BERTRAM mit lauerndem stechenden Blick auf Alice.
Nun – was vernahmst du denn dort?
ALICE erbebt.
Wer! Ich?
BERTRAM will sich nähern.
Sahest du –
ALICE sieht sich, vor Bertrams Anblick zusammenschauernd, nach dem Kreuze um.
Nichts!
BERTRAM.
Hast du verstanden?
ALICE mit fast erstickter Stimme.
Nichts!
BERTRAM finster.
Nichts?
ALICE wie vorher.
Nichts!
BERTRAM.
Nichts?
ALICE fast tonlos, wie gesprochen.
Nichts! – Nichts, nichts! –
BERTRAM für sich mit wilder Freude.
Triumph, ja, es ist gelungen!
Dich hab‘ ich errungen,

Verderbenvoll nach Alice blickend.

Von Schrecken bezwungen
Giebt trotz deines Sträubens
Die Angst dich mir Preis!
ALICE stets für sich.
Ach! – Ich zittre, ich bebe!
BERTRAM stets für sich.
Ja, sie giebt dich mir Preis!
Endlich dich mir Preis –
Mir Preis – mir Preis!
ALICE.
Weh mir! ich zittre! ach!
Ich bebe! weh mir!
BERTRAM.
Ein kühner Gedanke –
ALICE.
Ich zittre, ach!
Ich bebe –
BERTRAM.
Durchbebt meine Seele!
ALICE ihrer Angst fast erliegend.
Vor des Bösen Stimme,
Vor seinem wilden Grimme –
BERTRAM.
Trotz Bittens und Sträubens
Entgehst du mir nicht!
ALICE.
Ach, das Herz mir bricht!
BERTRAM.
Ja, von Graun bezwungen –
ALICE.
Ach, das Herz mir bricht!
BERTRAM.
Giebt trotz deines Sträubens
Dich die Angst mir Preis!
ALICE.
Ach, das Herz mir bricht!
BERTRAM.
Ein kühner Gedanke
Durchbebt meine Seele!
Nein, du entgehst mir nicht!
ALICE.
Bei des Bösen Stimme
Ach, das Herz mir bricht!
BERTRAM einen Schritt näher tretend, lüstern.
So nah dich mir – und laß den süßen Reiz –
ALICE die seinem Gebote nicht zu trotzen wagte, hat sich, jedoch immer seine Blicke meidend, etwas genähert; jetzt blickt sie auf und sieht in seine teuflich grinsenden Gesichtszüge; sie prallt zurück nach rechts.
Entferne dich, hinweg, entflieh!

Sie eilt zum Kreuze, es betend umklammernd.

BERTRAM in Wut.
Ja! Du kennest mich!
Dein Aug‘ drang in das Graun,
Drang in jenes Geheimnis,
Das kein Sterblicher weiß!
Und wolltest du's verraten,
An wen es immer sei, träfe dich sichrer Tod.

Das Kreuz leuchtet in transparentem Schimmer auf.

ALICE auf das Kreuz weisend, mit heroischer Erhabenheit.
Der Himmel ist mit mir, ich trotze deinem Zorne!
BERTRAM in roher Wut.
Erst stirbst du, dann dein Bräutigam.
ALICE erhebt flehend die Hände zu Bertram und entfernt sich unbewußt vom Kreuze.
O Gott!

Der transparente Schimmer des Kreuzes verschwindet.

BERTRAM sich an ihrem Entsetzen weidend.
Dann auch dein Vater! –
Und so dein ganzes Haus!

Alice nicht mehr wissend, was sie thut, stürzt in Bertrams unmittelbare Nähe.

BERTRAM ergreift mit seiner Rechten Alices linke Hand und schlendert das Mädchen an sich vorüber nach links; mit tierischer Freude.
Du hast's gewollt, du zarte Blume,
Du wardst durch Tugend mir zum Eigentume,
Und bist fortan – völlig nun mein!

Alice liegt wie leblos am Boden.

BERTRAM wieder mit heiterer Miene.
Wohlan – so sprich – nicht wahr – du sahest nichts
ALICE betäubt sich erhebend.
Nein! – Nein! – Nein, nichts!
BERTRAM.
Nichts? – Hörtest auch nichts?
ALICE wie geistesabwesend um sich blickend, mit erstickter Stimme.
Nichts! – Nichts!

Sie bemerkt den von rechts kommenden Robert, für sich.

Ha, Robert!

Sie will auf ihn zueilen.

BERTRAM bannt sie mit einer Geste an ihren Platz; leise zu ihr.
Nun sei bedacht; du weißt – du weißt, was dich bedroht.
Dort kommt Robert, drum schweig!
Wo nicht – trifft dich der Ted!

Der Herzog Robert von der Normandie kommt, in tiefe Trauer versunken, von rechts über den Waldweg.

Fünfter Auftritt.

Robert rechts. Bertram in der Mitte. Alice links.

Robert bleibt vor sich hinbrütend auf dem Wege stehen, als er Bertram erblickt; seine Mienen drücken die höchste stumme Verzweiflung aus.

Nr. 13. Terzett.

ROBERT für sich.
Mein Stern ist mir in Nacht vergangen! –
Ich überlaß mich meinem Schmerz! –
Weshalb nur fühlt von Graun mein Herz
Sich unwillkürlich jetzt befangen?
Freundschaft nur, die mich sauft umflicht,
Verläßt mit Trost mich Armen nicht.
Bertram nur, wenn sein Arm mich umflicht,
Verläßt mit Trost mich Armen nicht! –
Verläßt mit Trost mich nicht!
BERTRAM für sich.
Unsel'ger Augenblick voll Bangen,
Benutzen muß ich seinen Schmerz!
Warum fühlt mein zu schwaches Herz
Unwillkürlich sich befangen! –
Von Gefahr, die ihn mit Macht umflicht,
Befrein kann selbst die Höll‘ ihn nicht.
Ja, vor Gefahr, die ihn umflicht,
Schützet ihn die Hölle selbst nicht! –
Schützen ihn kann sie nicht, nein! –
Sie schützt ihn nicht! –
ALICE für sich.
Unsel'ger Augenblick voll Bangen! –
Er ist versenkt in tiefen Schmerz! –
Geheimes Grauen hat sein Herz
Wohl unwillkürlich schon umfangen!
Und vor Gefahr, die ihn umflicht,
Vermag ich ihn zu warnen nicht! –
Weh mir! weh mir! weh mir! Ach!
Weh mir! weh mir! weh mir! weh mir!

Es wurde allmählich Nacht, der Mond stieg sehr langsam am Himmel auf und erhellt die Felsschlucht.

Bertram befiehlt Alice mit gebieterischer Geste, sich zu entfernen.

ALICE geht gesenkten Hauptes nach rechts; auf dem Waldweg an gelangt, stürzt sie verzweifelt zwischen beide zurück; zu Robert.
Nein! ich trotze der Gefahr! Höret mich!
ROBERT unwillig, mit abgewandtem Gesicht.
Nun, so sprich!
BERTRAM mit Beziehung zu Alice.
Entferne dich im stillen,
Um deines künft'gen Gatten,
Um deines Vaters willen!

Er zeigt nach links.

ALICE in Verzweiflung.
Nein, ich kann es nicht! o ich kann es ja nicht!
Hinweg! Hinweg! Hinweg! Hinweg! Hinweg!
Ob auch das Herz mir bricht.

Sie eilt völlig erschöpft ab nach links vorn.

Sechster Auftritt.

Robert, Bertram zu seiner Linken.

Recitativ.

ROBERT aus seinem Brüten erwachend und Alice nachsehend.
Was ist ihr denn?
BERTRAM lachend.
Wer weiß! verliebt und eifersüchtig!
Dieser teure Raimbaud
Ist wohl ein wenig flüchtig.
ROBERT.
Sprich nun, wir sind allein! Verloren und entehrt,
Ruht auf dir mein Vertraun!
Wohlan, bewähr‘ es nun!
BERTRAM feierlich.
Meinen Schwur halt ich dir! –

Mit geheimnisvollem Wesen.

Man sucht uns zu umgarnen! –
Täuschung war's, was du sahst! –
Mit schwarzen Zauberkünsten
Hat dein Rival unsre Pläne zerstört.
Die dämonische Macht
Rief er, ihm beizustehen.
ROBERT.
Was ist zu thun?
BERTRAM thut als ob er nachdenkt.
Denselben Weg zu gehen!

Bestimmt und mit Betonung.

Mach's wie er!
ROBERT unentschlossen.
Aber wie? Giebt's verborgene Macht,
Um zu beschwören unsichtbare Geister?
BERTRAM bestimmt.
Ja!
ROBERT mit fieberhafter Erregung.
Und kennst du sie? o sprich!
BERTRAM senkt den Blick zu Boden, als bebe er vor Eröffnung des Geheimnisses zurück.
Ich kenne sie.
Und leicht nur wird man ihrer Meister,
Wenn man Mut in dem Herzen trägt.

Höhnisch.

Hast du den Mut?
ROBERT gereizt.
Bertram!

Der Mondschein verliert sich, es tritt Nacht ein.

BERTRAM.
Ha, wie er schon sich regt!
So höre! Du hörtest wohl von dem alten Kloster,
Der Hölle überwiesen durch des Himmels Zorn!
ROBERT.
O ja!
BERTRAM.
Dort umstrickt von Nesseln und Dorn,
Erhebt das Grabmal sich
Der heiligen Rosalie!
ROBERT.
Weh mir! Ach, woran mahnst du mich?
So hieß auch einst meine teure Mutter!
BERTRAM.
Sprechen darfst du kein Wort,
Willst du dem Tod entgehn,
Hast du am Ort des Grauns
Die Wesen aufgefunden,
Die ihr Geschick dort festgebunden!
ROBERT.
O ende!
BERTRAM.
Prüfe dich, ob wohl dein Mut es wagt,
An diesen Schreckensort
Wo der Tod auf dich lauert,
Dich zu begeben, allein, unverzagt?
Dort wächst ein Zweig,
Mit Wundermacht begabt,
Den eine Schar verdammter Geister hütet!
Hast du den Mut,
Ihn schweigend in der Nacht
Mit eigner Hand zu brechen?
ROBERT zurückbebend.
Das wär‘ ja Kirchenraub!
BERTRAM.
Du wankst und dieser Zweig
Macht dich unüberwindlich!
Dir zu Füßen wird die Geliebte sinken!
ROBERT.
Die Geliebte! Isabelle!

Er versinkt in dumpfes Brüten.

Bertram beobachtet ihn lauernd.

Robert erhebt den Blick und begegnet Bertrams Auge.

Bertram starrt Robert fragend an.

ROBERT entschlossen.
Wohlan, es sei! wohlan, es sei!
Wohlan, ich trotze dem Geschick
Und eile mutig zu dem finstern Ort!
BERTRAM für sich.
Wie sehr du eilst,
Noch vor dir bin ich dort!

Nr. 14. Duett.

ROBERT mit erstickter Stimme des Unwillens.
Ob den Mut ich wohl habe? –
Den Rittern meines Vaterlandes
War Ehre stets der Weg des Lichts,
Den Rittern meines Vaterlandes!
BERTRAM.
Komm, sei würdig deiner Ahnen!
Wohlan, wohlan, uns trennet nunmehr nichts!
ROBERT.
Sollt‘ ich selbst das Leben wagen,
Wohlan, wohlan, ich fürchte nichts!
BEIDE.
Den Rittern meines / deines Vaterlandes
War Ehre stets der Weg des Lichts!
ROBERT.
Sollt‘ ich selbst das Leben wagen,
Wohlan, wohlan, ich fürchte nichts!
Die Ehre war der Weg des Lichts
Den Rittern meines Vaterlandes!
Wohlan, ich fürchte nichts! wohlan! auf! wohlan!

Er wendet sich zum Gehen und sucht Bertram mit sich fortzureißen.

BERTRAM.
Komm und sei würdig nun deiner Ahnen,
Komm, uns trennet nun nichts mehr!
Wohlan, uns trennet nunmehr nichts! –

Er hält Robert geheimnisvoll noch zurück, ihn mit mystischem Gebaren an sich ziehend.

An jenem Ort des Schreckens
Wächst dort auf dem Grabe
Ein immergrüner Zweig;
Zauberkräfte verbirgt dieser Talisman!
ROBERT.
Nun denn! Und dann? Und dann?
BERTRAM.
Durch ihn kannst du vollbringen,
Was je dein Wunsch ersann,
Da er Unsterblichkeit
Und die kostbarsten Schätze verleihen kann.
ROBERT.
Nun denn?
BERTRAM.
Geraubt muß er werden durch dich!
ROBERT zurückbebend.
Durch mich? Das wär‘ ja Kirchenraub!
BERTRAM höhnisch.
Dies scheint dir schon
Zuviel für deinen Mut? Zuviel?
ROBERT mit Entschluß.
Ich geh‘!
Erkämpft durch meinen Mut
Wird der verehrte Zweig
Zur Palme des Triumphs
Für mich sich glorreich wenden!
BERTRAM.
Fürwahr, du trotzest also
Jenem grauenvollen Orte?
ROBERT.
Ja! ich eile mit Mut dahin,
Dem Himmel selbst trotzt jetzt mein Sinn!
BERTRAM für sich.
Doch noch vor dir eil‘ ich dahin!
BEIDE.
Den Rittern meines / deines Vaterlandes
War Ehre stets der Weg des Lichts,
Den Rittern all‘ des Vaterlandes! –
BERTRAM höhnisch für sich, triumphierend.
Wie voll Lust die Pulse mir schlagen,
Wohlan, wohlan, wohlan, er fürchtet nichts!
ROBERT.
Sollt‘ ich selbst das Leben wagen,
Wohlan, wohlan, ich fürchte nichts!
BEIDE.
Den Rittern meines / deines Vaterlandes
War Ehre stets der Weg des Lichts!
Auf, nun fort, ich fürchte / er fürchtet nichts!
ROBERT.
Ich fürchte nichts, nur fort, nur fort!
Die Ehre war der Weg des Lichts
Den Rittern meines Vaterlandes,
Drum fort, nun fort, ich fürchte nichts!
BERTRAM.
Wie vor Lust die Pulse schlagen,
Drum fort, nur fort, er fürchtet nichts!

Robert eilt ab nach rechts über den Waldweg.

Bertram ihm einen Augenblick nachsehend, wendet sich mit raschen Schritten nach links vorn.

Wolkenschleier senken sich herab.

Verwandlung.

Die Wolkenschleier heben sich.

Nr. 15. Finale.

Eine Halle in den Ruinen des Klosters der heiligen Rosalie Rechts ein Kreuzgang; eiserne verrostete Ampeln sind an den Bogen aufgehangen; im Hintergrunde eine Treppe zu einer größeren Thür, welche in die Gewölbe des Klosters führt. Links ist durch Arkaden ein mit Grabdenkmalen angefüllter Friedhof zu erblicken; die Denkmale sind mit Gras- und Epheuwuchs überrankt. An der Mittelsäule zwischen dem Kreuzgang und den Arkaden befindet sich die Marmorstatue der heiligen Rosalie, als Nonne dargestellt, einen grünenden Cypressenzweig in der Hand haltend. Sarkophage, Grabdenkmale. Alles kündigt an, daß der Ort seit langer Zeit unbewohnt war.

Es ist Nacht; durch die Arkaden glänzen die Sterne am Himmel, Mondschein blinkt herein.

Siebenter Auftritt.

Bertram allein.

Bertram kommt durch die Thür über die Treppe im Kreuzgang rechts hinten; er ist in seinen Mantel gehüllt und schreitet langsam vor, die Gegenstände betrachtend, die ihn umgeben.

Nachtvögel, vom Schlaf aufgeschreckt, fliegen davon.

A. Beschwörung.

BERTRAM.
Also dies sind die Trümmer von jenem alten Kloster,
Einst von Rosalie dem Dienst des Herrn geweiht!
Ihr Töchter des Altars, die ihr in Üppigkeit
Und zügelloser Lust andern Göttern geopfert,
Daß, wo Tugend sonst war, jetzt das Laster daheim! –

Er nimmt Aufstellung vor der Statue der heiligen Rosalie; mit beschwörender und befehlender Stimme und Gebärde.

Nonnen, die ihr hier ruht, mit kaltem Stein bedecket –
Höret ihr mich? – Auf, verlaßt euer Grab.
Durch meinen Ruf erwecket! – Erhebet euch!
Fürchtet nicht mehr, daß ich zur Rede euch stelle,

Er zeigt nach der Statue.

Fürchtet nicht mehr diese Heilige hier.
Ich bin's, der ruft, der Fürst der Hölle,
Ich bin's, der ruft, der König der Hölle,
Ich bin's, ich bin's, ich bin's!

Mit dem Ausdruck der Trauer.

Ich, verdammt, so wie ihr – ich, verdammt, so wie ihr!
Nonnen, vernahmt ihr mich? Nonnen, erhebet euch!

Aus weiter Ferne schlägt ganz leise ein Glöckchen Mitternacht.

Irrlichter flackern zwischen den Grabmalen.

Die Sarkophage und Grabmäler öffnen sich.

B. Erscheinung der Nonnen.

Nonnen in Leichentücher gehüllt, entsteigen langsam ihren Gräbern, zu kurzem Scheinleben erweckt und versammeln sich in der Halle.

Achter Auftritt.

Bertram. Die Nonnen. Dann ihre Oberin Helene.

BERTRAM zu den Nonnen.
Des Himmels Töchter einst, jetzt der Hölle geweiht,
Hört, was ich als Herr euch gebiete!
Ein Ritter wird sich nahn in seiner Jugend Blüte.

Er zeigt nach dem Cypressenzweig in der Hand der Statue.

Er soll den Zweig dort brechen!
Doch wenn er mutlos zögert, und mein Erwarten täuschet,
So verführt ihn durch Reiz und Huld.
Zwinget ihn, daß er erfüllt,
Was sein Schwur von ihm heischet,
Verdeckt den Fallstrick ihm
Und verbergt ihm meine Schuld!

Die Nonnen verneigen sich zustimmend.

Bertram entfernt sich durch den Kreuzgang.

C. Bachanale.

Die Nonnen erkennen sich und legen ihre Freude darüber an der Tag.

Mit dem Allegro vivace wird es hell, die Ampeln im Kreuzgang haben sich von selbst entzündet.

Die Nonnen werfen ihre Hüllen ab und erscheinen in verführe rischer Tanzkleidung; der Trieb der Leidenschaften kehrt in die bisher unbeseelten Körper zurück; sie umarmen sich und vereinigen sich zum lebhaften Tanze.

Die Oberin Helene erscheint im geeigneten Augenblick und ladet sie ein, sich ganz dem Vergnügen zu überlassen.

Die Nonnen führen diesen Befehl auf der Stelle aus; nicht lange mehr und sie achten nur noch auf den Reiz der Lust, so daß der Tanz zum Bacchanale wird.

Helene bemerkt dabei plötzlich Roberts Ankunft; sie unterbricht den Taumel der Freude.

Die Nonnen entziehen sich Roberts Blicken, indem sie sich hinter Säulen, Sarkophagen und Gräbern verbergen.

Die Ampeln verlöschen, die Halle erscheint nur vom Mondschein beleuchtet.

Der Herzog Robert von der Normandie kommt durch den Kreuzgang.

Neunter Auftritt.

Robert allein.

D. Recitativ.

ROBERT.
Hier ist der Ort, umgeben von nächtlichen Schrecken!
Sei's gewagt!

Er tritt näher.

Welch ein Schauer durchdringt mein Gebein!

Sich umsehend.

Dies Kloster – diese Gräber –
Wie sie geheime Qual in tiefster Seele wecken!

Er erblickt den Cypressenzweig in der Hand der Statue der heiligen Rosalie.

Ha, den Zweig seh‘ ich hier, Talisman,
Den die Unterwelt gebar!
Bringt er mit der Liebe Entzücken
Die Macht auf Erden und die Unsterblichkeit!

Er nähert sich dem Zweige.

Die Statue der heiligen Rosalie erhellt sich, über ihrem Haupte wird eine Art Heiligenschein sichtbar.

ROBERT.
Ich zittre! – Welche Qual!

Er schreitet hin, um den Zweig zu brechen, schaudert aber wieder zurück.

Mein Gott! in jenem Bildnis

Nach der Statue zeigend.

Seh die Mutter ich dort
Zürnend jetzt schaun auf mich!
Ich kann nicht mehr! hinweg! hinweg!
Sonst unterliege ich!

Er wendet sich entsetzt dem Kreuzgang zu.

Die Statue verliert ihren Strahlenschein und wird wieder dunkel.

Die Ampeln flammen auf.

Es wird wieder ganz hell.

Die Nonnen tauchen von allen Seiten auf und umgeben Robert in verführerischer Gruppierung.

Zehnter Auftritt.

Robert. Helene und die Nonnen. Dann Dämonen.

E. Verführung.

Verführung durch Trunkenheit.

Die Nonnen bieten Robert den Becher, indem sie ihn umtanzen und selbst begierig trinken.

Robert weigert sich, zu trinken.

Helene wirft den Nonnen ihre zu freie Weise vor, nähert sich Robert und sucht ihn durch Reiz und Anmut zu verführen.

Robert betrachtet Helene mit Bewunderung.

Helene reicht ihm den Becher.

Robert kann nicht länger widerstehn; er nimmt den Becher aus ihrer Hand und trinkt.

Die Nonnen umgeben Robert tanzend.

Helene glaubt ihren Sieg zu bemerken und zieht Robert sanft zu dem Zweige hin.

Robert folgt mit bewunderndem Widerstreben.

Die Nonnen welche glauben, daß Robert den Zweig brechen wird wünschen sich, heimlich unter sich lachend, zu ihrem Triumphe Glück.

Robert tritt unerwartet schaudernd zurück.

Die Nonnen erschrecken und beraten eine andere Verführung.

Verführung durch Spiel.

Helene sucht durch ihre Reize von neuem Roberts Leidenschaften zu erregen.

Die Nonnen bringen Gold und Würfel herbei und suchen ihn zum Spiel zu verleiten; sie spielen mit Habgier.

Robert der Teil an ihrem Spiel genommen hatte, wendet sich vol. Verdruß ab, als er ihre Gewinnlust bemerkt.

Helene führt ihn zurück und spielt mit verführerischer Anmut.

Robert giebt ihr beruhigt nach.

Helene zieht Robert wieder sauft zu dem Zweige hin.

Die Nonnen lachen wieder unter sich.

Robert schaudert aufs neue zurück.

Die Nonnen beraten abermals eine andere Verführung.

Verführung durch die Liebe.

Helene sucht Robert durch körperliche Annäherung zu entflammen.

Die Nonnen unterstützen sie durch reizvolle Gebärden.

Robert wird in seinem Widerstand schwächer und schwächer.

Helene und Robert nähern sich dabei immer mehr der Statue.

Robert durch höchsten Reiz besiegt, vergißt seine Furcht gänzlich.

Helene zeigt weit vorgebeugt nach dem Zweige.

Robert raubt trunken von Liebe der Entgegenkommenden einen Kuß, bricht mit rascher Hand den Cypressenzweig und bahnt sich durch die Nonnen, indem er den Zweig bewegt, einen Weg nach dem Krenzgang, in welchem er verschwindet.

Starker Donner in dem Augenblick, wo Robert den Zweig bricht.

Die Ampeln verlöschen.

Es wird völlig Nacht.

Die Nonnen bewegen sich im wildem Durcheinander.

Dämonen entsteigen der Erde und bemächtigen sich der sittenlosen Frauengestalten.

Helene rast in höchster Verzweiflung durch die Halle.

Ein Dämon eilt ihr nach, ergreift sie, hebt sie hoch über sich, wirft sie zu Boden und verschwindet mit ihr nach unten.

HÖLLENCHOR unten, verstärkt durch Sprachrohre oder Tuben.
Uns ist er nun!
Herbei, herbei mit Triumphgeschrei!
Geister der Nacht,
Herbei, herbei mit Triumphgeschrei!
Uns ist er nun!
Herbei, herbei, uns ist er nun!
Uns ist er nun,
Gehöret uns, ja uns!

Es schlägt in weiter Ferne ein Uhr.

Vierter Aufzug.

Nr. 16. Zwischenakt und Chor der Frauen.

Der Vorhang hebt sich im vierundzwanzigsten Takte.

Saal bei der Prinzessin Isabelle von Sicilien mit einem Bogen in der Mitte, der durch ein großes vergoldetes Gitter und durch einen Vorhang verschließbar ist; von dem geschlossenen Gitter führt eine Treppe nach einer Galerie hinauf. Rechts vorn ein Ruhelager mit einem Betpult zur Seite. Links vorn ein Tisch mit einem Lehnstuhl; auf dem Tisch drei Brautkränze, drei Schleier, drei Brautketten. Eine Ampel. Kandelaber. Lehnstühle.

Es ist Tag.

Erster Auftritt.

Das Landmädchen Alice. Die Prinzessin Isabelle von Sicilien. Sieben Ritter. Acht Hofdamen. Vier Pagen. Vier Trabanten. Drei junge ländliche neuvermählte Paare.

Die drei jungen Frauen die am Morgen vermählt wurden, knieen während des Chores der Reihe nach vor Isabelle nieder.

Eine Hofdame reicht der Prinzessin nacheinander Kette, Schleier und Kranz.

Isabelle schmückt der Reihe nach die drei jungen Frauen damit.

Die drei jungen Frauen küssen Isabelle die Hand, stehen auf und knicksen.

Die drei jungen Männer treten nacheinander auf ihre Frauen zu und führen sie nach rechts hinten zurück.

Frauenchor.

CHOR.
Mild sich neiget die Prinzessin
Euren Wünschen hochbeglückt,
Und sie schenket gern den Kranz euch,
Der das Haar ihr geschmückt.
Mög‘ dies Pfand euch auch verkünden,
Mög‘ dies Pfand euch beim Verbinden
Auch verkünden Glück und Heil,
Daß nur Liebe sonder Schranken
Ohne Wanken euer Teil!
Mild sich neiget die Prinzessin
Euren Wünschen hochbeglückt,
Und sie schenket gern den Kranz euch,
Der das Haar ihr geschmückt.
Hold und lieblich beut Gewinne
Stets die Minne für das Herz;
Es umschwebe eure Tage
Sonder Klage nur der Scherz.
ISABELLE erblickt Alice, erhebt sich.
Doch ist dies nicht jene liebliche Fremde,
Der ich heut‘ früh ihre Bitte gewährte?
ALICE knicksend.
Ja, Eure Huld und Güte hat gnadenvoll mich beschützt.
ISABELLE beiseite.
Wohl möcht‘ ich – doch ich wage es nicht, zu fragen sie!

Laut.

Du verlässest uns heut‘ – und mit Robert vielleicht? ALICE.
Ich geh – weil ich muß – heute noch – doch noch einmal,
Ja, einmal nur muß ich meinen Herrn noch sehen:
Robert, Robert, der mir so wert!
ISABELLE.
Wie, du wirst ihn noch sehn?
ALICE zieht das Pergament aus dem ersten Aufzug hervor; feierlich.
Diese Schrift seiner Mutter
Ihm selber zu geben, das letzte Zeichen
Der Liebe von ihr, deren, ach, er unwert ist!

Traurig.

Doch es fordert's die Pflicht!
Ach, wie beklag‘ ich ihn, den Armen!

Nr. 17. Chor.

ISABELLE.
Gott! – Sag, was droht – seinem Leben? –
O sprich! – Rede frei!
ALICE.
Weh ihm! – Robert!
ISABELLE.
Jetzt schweige! – Man kommt, du bleibst!

Alice tritt nach links hinten zurück.

Das Mittelgitter wird geöffnet.

Zwölf Trabanten nehmen von rechts her auf der Galerie oben Aufstellung.

Zwei Herolde kommen von links durch das Mittelgitter.

Der sicilianische Ritter Alberti, vier Pagen, worunter ein Mohrenknabe mit Geschenken Ketten, Geschmeide, Stoffe für Isabelle, fünf Granadaritter folgen.

Zweiter Auftritt.

Die Vorigen. Alberti. Zwei Herolde. Fünf Granadaritter. Vier Pagen. Zwölf Trabanten.

Die zwei Herolde stellen sich vor die vier Trabanten unten an der Treppe.

Alberti, die vier Pagen, die fünf Granadaritter nehmen während des Chores, zu Isabelle gewendet, in der Mitte Aufstellung.

CHOR.
Tönt hoch empor, ihr Freudenklänge,
Töne des Siegs, des Liebesglücks;
Feiert nun heut‘ durch Festgesänge
Laut den Genuß des Augenblicks!
ALBERTI.
Laßt Euch, o Fürstin, hier – ehrfurchtsvoll überreichen
Im Namen des Gemahls,
Den noch heut‘ Ihr beglücken sollt,

Auf die Pagen mit den Geschenken zeigend.

Diese Gaben, nur schwach seiner Zärtlichkeit Zeichen.

Er giebt seinen Pagen einen Wink.

Die Pagen treten zu Isabelle heran und lassen sich, die Geschenke auf reich dekorierten Kissen darbietend, auf ein Knie nieder.

Isabelle winkt ihren vier Pagen.

Die vier Isabellepagen laden die Geschenkpagen ein, ihnen zu folgen und gehen hinter dem Mittelgitter nach rechts ab.

Die Geschenkpagen und der Mohrenknabe folgen ihnen.

CHOR.
Tönt hoch empor, ihr Freudenklänge,
Und preist den Sieg des Liebesglücks;
Auf, feiert heut‘ durch Festgesänge
Laut den Genuß des Augenblicks!
ALBERTI verneigt sich mit den Granadarittern vor der Prinzessin.
Edle Ritter, kommt! – Entfernen wir uns jetzt!
O kommt! – O kommt! – O kommt, entfernet euch!

Die Granadaritter und Alberti machen eine Bewegung zum Gehen.

Alice, die Trabanten oben und unten, die Herolde, die ländlichen Ehepaare folgen und gehen zuerst durch die Mitte hinaus.

CHOR.
Tönt hoch empor, ihr Freudenklänge,
Tönt dem Genuß des Augenblicks!

Der Herzog Robert von der Normandie erscheint, den Anwesenden unsichtbar durch den Cypressenzweig in seiner Hand, mit dem Einsatz des verminderten Scotimenaccordes, von links her oben auf der Galerie.

Dritter Auftritt.

Die Vorigen. Robert.

Robert bewegt langsam den Zweig gegen die Anwesenden hin und her.

Alle fassen unter dem Gefühl von Ermattung und Betäubung mit der Hand nach der Stirn.

CHOR schwächer und schwächer.
Tönt hoch empor, ihr Freudenklänge,
Töne des Siegs, des Liebesglücks!

Robert schreitet über die Treppe langsam und feierlich mit ausgestrecktem Zweige vor.

CHOR wie vorher.
Tönt hoch empor, ihr Freudenklänge,
Töne des Siegs, des Liebesglücks!
Feiert nun heut‘ durch Festgesänge
Laut den Genuß des Augenblicks.

Alberti, die Ritter und Hofdamen ziehen sich, magisch angezogen, das Gesicht stets nach der Vorderseite des Saales gerichtet, rückwärts durch das Mittelgitter zurück, wankend und wie im Schlafe, dem sie vergebens zu widerstehen suchen; sie lassen sich teilweise auf die Stufer der Mitteltreppe nieder, teilweise stehen sie auf der Galerie oben unbeweglich und in Gruppen.

Isabelle wendet sich mit einigen Schritten nach rechts, wankt von auf das Ruhebett nieder und versinkt in Schlaf.

Robert giebt einen Wink.

Der Mittelvorhang und das Gitter schließen sich.

Vierter Auftritt.

Isabelle. Robert.

ROBERT steht mit Erstaunen über die Wirkung des Cypressenzweige, inmitten des Saales.

Nr. 18. Finale.

Scene und Kavatine.

Recitativ.

Wie der magische Zweig, der zu ihnen sich neigt,
Seine Kraft über sie im Augenblicke zeigt.
Dein Rufen, stolze Braut, wird kein Sterblicher hören! –
Wer kann hier – hier, wohin mich Zaubermacht geführt,
Dich rauben, Stolze, mir! Widerstrebe! bitte, flehe!
Nichts rettet dich! Du folgest mir, selbst mit Gewalt! –
Doch nein, aus freier Wahl! – Näher denn – hin
zu ihr!

Er tritt der schlafenden Isabelle näher und bleibt wie geblendet von ihren Reizen stehen.

Kavatine.

Ha! wie bezaubernd schön!
Wie bezaubernd schön!
Ruhiger Schlummer leiht
Noch höhre Reize ihr!
Unschuld gewährt ihr die edelste Zier,
Die zum Engel sie weiht!
Wie bezaubernd schön!

Nach der Mitte zu tretend.

Doch fort von hier! – Es ist Zeit! –

Er hebt den Zweig über Isabelle.

Isabelle! – Isabelle! –
Für dich lös‘ ich den Zauber, der dich umfangen hält!

Isabelle erwachend und sich langsam erhebend.

Recitativ.

ISABELLE.
Wo bin ich? – Und welche Stimme ruft mich? –
Welch betäubender Schlaf – der die Sinne umhüllt?

Sie bemerkt Robert.

Was seh‘ ich? – Ist es nur neue Täuschung?
Wie? Hier? Robert! Robert! – O Himmel, ich bebe!

Duett.

ISABELLE knieend.
O Gott, o Gott! Sieh die Qual, dieses Bangen!
Mit Hilfe steh‘ mir Armen bei!

Sie erhebt sich.

ROBERT halblaut, in entflammtem Gefühl.
Wie vermehrt – dieser Reiz – mein Verlangen!
Nimmermehr – sie eines andern sei!
Ha, ich fühle die Freuden der Hölle,
Seh ich, wie angstvoll sie erbebt!
ISABELLE.
Welcher Blick, der tief mich durchbebt!
ROBERT wie oben.
Ha, ich fühle die Freuden der Hölle,
Wenn sie voll Angst vor mir erbebt!
ISABELLE.
Welch eine Macht führte Euch zu der Stelle,
Daß Ihr Ehre und Schwur so vergessend erscheint?
ROBERT wütend.
Nun denn, ja! ja, ja, die Hölle, die treu mir gedient,
Sie wird mich rächen an dem, den ich hasse.
ISABELLE mit Unwillen.
Noch heute früh bei dem Turnier
Vermochtet dies mit Ehren Ihr.
ROBERT entflammt.
Fürchte meine Wut! Fürchte meine Wut!
ISABELLE entsetzt.
Welcher Blick! Welcher Blick! Welcher Blick!
ROBERT halblaut.
Fürchte meine Wut, o stoß mich nicht zurück!
Treibe mich nicht bis zur Verzweiflung hin!
Alles ist hier meiner Macht überlassen,
Und nichts, nein, nichts entreißt meinem Arm dich, mein Glück, nichts!
ISABELLE mit nach oben erhobenen Blicken.
Gott, auf mich wende deiner Hilfe Blick!
ROBERT.
Fürchte meine Wut!
ISABELLE.
Laß nicht Verzweiflung seine Seele erfassen!
ROBERT.
Fürchte meine Wut!
ISABELLE.
Alles ist hier –
ROBERT.
Alles ist hier –
ISABELLE.
Seiner Macht überlassen,
Nur du allein hältst seinen Arm zurück!
ROBERT.
Meiner Macht überlassen,
Nichts entreißt mir mein Glück!
ISABELLE zu Robert.
Entflieht! entflieht!
Entfernet Euch!
ROBERT.
Fürcht‘ meine Wut!
ISABELLE.
Umsonst ist Euer Hoffen!
Robert, entfernet Euch!
O Gott, schenk‘ deinen gnäd'gen Beistand mir!
ROBERT.
O stoß mich nicht zurück!

Für sich.

Ich fühl‘ die Freuden der Hölle,
Wenn voll Angst sie vor mir bebt!
ISABELLE.
Entfernet Euch!
ROBERT entflammt.
Nein!
ISABELLE.
Welcher Blick! –
ROBERT halblaut.
Fürchte meine Wut, stoß mich nicht zurück!
Treibe mich nicht bis zur Verzweiflung hin!
Alles ist hier meiner Macht überlassen,
Und nichts entreißt mir mein Glück! Nichts!
ISABELLE wie oben.
Gott, auf mich wende deiner Hilfe Blick!
ROBERT.
Fürchte meine Wut!
ISABELLE.
Laß nicht Verzweiflung seine Seele erfassen!
ROBERT.
Fürchte meine Wut!
ISABELLE.
Alles ist hier –
ROBERT.
Alles ist hier –
ISABELLE.
Seiner Macht überlassen,
Nur du allein hältst seinen Arm zurück!
ROBERT.
Meiner Macht überlassen,
Nichts entreißt – nichts – entreißt mir nun mein Glück!
Ich weiche dem Drängen, dem Sehnen!
ISABELLE.
Robert!
ROBERT.
Isabelle! Du bist nun mein!
ISABELLE.
O mein Gott!
ROBERT.
Nein, keine Macht kann deine Banden lösen!
ISABELLE.
Allmächt'ger Gott!
ROBERT.
Nicht widerstehe mir!

Er faßt sie bei der Hand.

ISABELLE.
O laßt mich los!
ROBERT.
Komm!
ISABELLE.
Entfernet Euch!
ROBERT.
Komm!
ISABELLE mit ihm ringend.
Laßt mich los!
ROBERT sie haltend.
Komm!
ISABELLE.
Laßt mich los!
ROBERT.
Mein mußt du –
ISABELLE.
Haltet ein!
ROBERT.
Sein!

Isabelle entringt sich ihm, wirft sich in den Betpult rechts und betet; nach einer Pause erhebt sie sich und beginnt mit weicher Stimme.

Kavatine.

ISABELLE.
Robert! Robert! Mein Geliebter!
Mein Herz lebt nur, lebt allein durch dich!
Du siehst meine Angst, du siehst meine Angst!
Gnade, Gnade für dich selber, für dich selber!
Und Gnade, und Gnade, Gnade für mich!
ROBERT.
Nein, nein, nein, nein!
ISABELLE.
Mitleid für dich!
ROBERT.
Nein, nein, nein, nein!
ISABELLE.
Gnade für mich, für dich! –
Wie? Dein Herz hat vergessen,
Was du heiß einst mir schwurst?
Einst hast du mir gehuldigt,
Zu Füßen lieg‘ ich dir, zu Füßen dir!
Gnade, Gnade für dich selber, für dich selber,
Und Gnade, und Gnade, Gnade für mich!
ROBERT.
Nein, nein, nein, nein!
ISABELLE.
Gnade für mich!
ROBERT.
Nein, nein, nein, nein!
ISABELLE.
Gnade für dich, Gnade für mich,
Gnade für mich, für dich! –
Du, mein Heil, mein einz'ges Leben,
Du, dem ich mich ganz ergeben,
Du siehst meine Angst, du siehst meine Angst! Ach!
Gnade, Gnade für dich selber, für dich selber!
Und Gnade, und Gnade, Gnade für mich! –
Gnade! – Gnade! – Gnade für mich! –
ROBERT.
Dem Tone kann mein Herz nicht widerstehen!
ISABELLE.
O laß mich nicht in dieser Angst vergehen!
ROBERT.
Doch kann ich nicht bezähmen meine Glut!
ISABELLE.
O bezähme diese Wut!
ROBERT sich aufbäumend.
Und einem andern sollt‘ ich hin dich geben? –
Verlör‘ ich dich, verlör‘ mein Leben ich! –
Nicht kümmert mehr – mein Lieben dich;
Nun wohl, so nimm – nun denn mein Leben! –
ISABELLE.
Wie? – Was sagest du?
ROBERT.
Ja – Tod – ist was mir droht.
ISABELLE.
Nicht Hoffnung mehr?
ROBERT.
Nur eine einz'ge!
ISABELLE.
O rette dich!
ROBERT.
Ich mag nicht leben!
ISABELLE.
Flieh‘, da du's kannst!
ROBERT.
Nein, nein, den Tod!
Ja, sterben für dich – sterben hier –

Er kniet zu ihren Füßen.

Ich erwarte hier knieend Gnade von dir!

Er zerbricht auf die drei Accorde Tamtamschläge den Cypressenzweig.

Das Mittelgitter und der Vorhang öffnen sich beim dritten Schlag von selbst.

Das ganze Hofgefolge erblickt man mit Alice auf der Treppe und Galerie eingeschlafen.

Fünfter Auftritt.

Die Vorigen. Alice auf der linken Seite. Die Ritter und Alberti in der Mitte. Die Hofdamen auf der rechten Seite beim Betpult. Zwei Herolde, zwölf Trabanten zurückstehend. Zum Schluß Bertram.

Die Schlafenden erholen sich, wie aus einer Betäubung erwachend.

CHOR.
Was ist geschehen!? Ist es ein Blendwerk?
Die Mattigkeit befiel uns all‘!
Bei Hof der Schlummer! Welch seltner Fall!

Die Ritter treten zuerst ein.

Die Hofdamen und die Übrigen folgen.

CHOR.
Was seh ich? Ist's Wahrheit? Was seh ich?
Himmel! Ha, was seh ich? Ist es wahr?
Es ist Robert! – Robert! – Robert! –

Die Ritter kommen rasch vor und blicken aufs höchste erstaunt auf den knieenden Robert.

Isabelle flieht erschreckt zum Betpult rechts und sinkt dort zusammen.

Die Hofdamen eilen herbei und sind um sie bemüht.

Robert erhebt sich und tritt auf die linke Ecke.

Die Ritter nehmen Robert gegenüber eine drohende Haltung an.

Robert zieht sein Schwert und erwartet ihren Angriff.

Stretta.

ALBERTI.
Ja, er ist's, straft ihn nur, greift ihn schnell, diesen Frechen! Nicht mehr kann unserm Arm er nunmehr noch entgehn!
CHOR.
Haltet fest, greift ihn schnell, straft ihn nun, diesen Frechen! Nicht mehr kann unserm Arm er nunmehr noch entgehn!
ALBERTI.
Nun nicht mehr!
ISABELLE, ALICE UND HOFDAME.
Aus mit ihm!
ROBERT.
Kommt nur an, wenn ihr wollt dieses Schritts euch erfrechen!
Trotzen werd‘ ich voll Mut Erd‘ und Himmel zugleich!
CHOR.
Haltet fest, greift ihn schnell, straft ihn nun,
diesen Frechen!
Nicht mehr kann unserm Arm er nunmehr noch entgehn!
ISABELLE, ALICE UND HOFDAME.
Ach, umsonst!
CHOR.
Nun bestraft wird gewiß fürchterlich sein Verbrechen,
Und es soll morgen schon nun sein Recht ihm geschehn!
Haltet ihn, greift ihn schnell, fesselt ihn, strafet ihn,
Nicht mehr kann er unserm Arm nunmehr noch entgehn!
Und es soll morgen schon ihm sein Recht nun geschehn!
Nun bestraft wird gewiß fürchterlich sein Verbrechen,
Nicht mehr kann er unserm Arm rettungslos entgehn.
Und es soll morgen schon ihm sein Recht geschehn!
Rettungslos, ganz umsonst ist jetzt noch sein Erfrechen,
Nicht mehr kann unserm Arm er nunmehr noch entgehn!
O bestraft wird gewiß fürchterlich sein Verbrechen
Und es wird morgen schon ihm sein Recht geschehn
Missethat! Haltet ihn, fesselt ihn, diesen Frechen!
Nicht mehr kann er unserm Arm nunmehr noch entgehn!
ISABELLE, ALICE UND HOFDAME.
Rettungslos!
ROBERT.
Kommt nur an, wenn ihr wollt dieses Schritts euch erfrechen!
Trotzen will ich voll Mut Erd‘ und Himmel zugleich,
Ja, ich trotze nunmehr lachend Erd‘ und Himmel jetzt zugleich!
Kommet, kommet nur an! – Kommet, kommet nur an!
Ganz umsonst! Kommet an, träf‘ mich auch,
Träf‘ mich auch Rächerblitz hier vor euch,
Ha, trotzen werd‘ ich dem Himmel, der Erde zugleich!
Nein, dieses Herz kennet nicht Furcht noch Schwächen! –
Kommet an! kommet an! kommet an! alle an! –
Trotz biet‘ ich lachend Erd‘ und Himmel zugleich!
Ha, träf‘ auch rächend mich der Blitz vor euch,
Dieses Herz kennt nicht die Furcht noch die Schwächen!
Trotzen werde ich lachend, trotzen Himmel und Erd‘!
Erd‘ und Himmel, Erd‘ und Himmel zugleich!
ISABELLE, ALICE UND HOFDAME.
Rettungslos, ganz umsonst ist noch jetzt sein Erfrechen,
Und es wird morgen schon ihm sein Recht nun geschehn!
Ha, er trotzet wahrlich lachend Erd‘ und Himmel jetzt zugleich!
Rettungslos, ganz umsonst ist noch jetzt sein Erfrechen,
Nicht mehr kann ihrem Arm er nunmehr noch entgehen!
Ganz umsonst! Nicht mehr kann ihrem Arm er entgehn
Und es wird morgen schon ihm sein Recht nun geschehn! –
Nicht mehr kann er ihrem Arm nunmehr noch entgehn!
Nein, nein, nun bestraft wird fürchterlich sein Verbrechen
Und es wird morgen schon ihm sein Recht nun geschehn!
CHOR.
Fesselt ihn, haltet fest, greift ihn schnell, diesen Frechen,
Nicht mehr kann unserm Arm er nunmehr noch entgehn!
Ha, er trotzet wahrlich lachend Erd‘ und Himmel jetzt zugleich!
Haltet ihn, fesselt ihn, greifet ihn, fesselt ihn, haltet fest diesen Frechen!
Nicht mehr kann unserm Arm er nunmehr noch entgehen!
Ganz umsonst! Nicht mehr kann unserm Arm er entgehn!
Und es wird morgen schon ihm sein Recht nun geschehn!
Haltet ihn, greifet ihn, fesselt ihn, diesen Frechen,
Er kann unserm Arm nunmehr nicht entgehn!
Ha, nun bestraft wird furchtbar sein Verbrechen,
Und es wird morgen schon ihm sein Recht nun geschehn!

Die Ritter dringen auf Robert ein.

Robert schlägt sich durch die ihn Angreifenden hindurch und stürmt die Mitteltreppe hinauf.

Isabelle will Robert nacheilen, ihre Kräfte verlassen sie und sie sinkt in die Arme ihrer Hofdamen.

Die Hofdamen bemühen sich um sie und geleiten sie nach dem Ruhelager rechts.

Die Ritter stürmen Robert nach.

Bertram erscheint oben auf der Galerie und schützt Robert gegen die Andringenden.

Fünfter Aufzug.

Nr. 19. Zwischenakt und Chor der Mönche.

Der Vorhang hebt sich im zehnten Takt.

Vorhalle der Kathedrale in Palermo. Der Mittelbogen ist durch einens geschlossenen Vorhang von der Kirche getrennt. Links eine Nische mit einem Madonnenbild, um dadurch ein geweihtes Asyl anzudeuten.

Es ist Nacht; eine Ampel erhellt matt den Raum.

Erster Auftritt.

Ein Priester, Mönche inmitten der Vorhalle. Flüchtlinge.

Flüchtlinge kommen von rechts.

Ein Mann wild aussehend, mit einem Dolch im Gürtel und einem dicken Knittel, stürzt herein zum Madonnenbilde links und umklam mert es.

Zwei andere Männer in zerfetzten Kleidern wenden sich hilfe suchend an die Mönche und winden sich zu ihren Füßen.

Eine Mutter mit ihren zwei Kindern bleibt händeringend am Eingang liegen; die Kinder hängen an ihrem Halse.

CHOR DER MÖNCHE einstimmig.
Ob euch Unglück, ob Schuld euch belaste,
Eilet schnell, da's noch Zeit,
An den Ort voller Bangen,
Der Reue längst bereit.
Hier könnt ihr ihm trotzen, dem Zorne
Der Gerichte, von Menschen verhängt;
Madonna hier mit ihrem Schutze
Im heil'gen Bildnis euch umfängt! –
Ob euch Unglück, ob Schuld euch belaste,
Eilet schnell, da's noch Zeit,
An den Ort voller Bangen,
Der Reue längst bereit.
Kommt herbei, kommt herbei!
Eilet schnell, da's noch Zeit!
Ob euch Unglück belaste, eilet schnell!
Kommt herbei, eilet schnell, da's noch Zeit!

Sie weisen nach links.

Madonna hier mit ihrem Schutze
Im heil'gen Bildnis euch umfängt!
PRIESTER.
Zum Altare hin drängt sich das Volk, Gott zu preisen,
Bringt mit ihm euern Dank dem Unerforschten dar,
Dem Gott, der gnadenvoll unsre teure Prinzessin
Aus den Händen befreit, die ihr drohten Gefahr.

Nr. 20. Gebet.

Man hört die Orgel aus dem Innern der Kirche.

PRIESTER.
Heil der ewigen Liebe!
CHOR DER MÖNCHE UND NONNEN.
Heil der ewigen Liebe!
PRIESTER.
Heil dem Gotte der Macht!
CHOR DER MÖNCHE UND NONNEN.
Heil dem Gotte der Macht!
PRIESTER.
Der die Unschuld gerettet!
CHOR DER MÖNCHE UND NONNEN.
Der die Unschuld gerettet!
PRIESTER.
Aus der Verführung Nacht!
CHOR DER MÖNCHE UND NONNEN.
Aus der Verführung Nacht!
PRIESTER.
Heil sei Gott!
CHOR DER MÖNCHE UND NONNEN.
Heil sei Gott!
PRIESTER.
Ehre Gott!
CHOR DER MÖNCHE UND NONNEN.
Heil sei Gott!

Der Priester und die Mönche entfernen sich langsam, indem sie die Flüchtlinge mit sich hinausführen, durch den Mittelvorhang in das Innere der Kirche.

Der Herzog Robert von der Normandie kommt, Bertram an der Hand, schnell von links.

Bertram folgt ihm mit Widerstreben.

Zweiter Auftritt.

Robert, Bertram zu seiner Linken. Dann der Priester, Mönche und Nonnen im Innern der Kirche.

Nr. 21. Recitativ und Chor.

ROBERT.
Komm!

Er atmet auf, da er sich gerettet sieht.

BERTRAM.
Weshalb zwingst du mich, hierher mit dir zu gehen?
ROBERT.
Geweiht ist dies Asyl! Man kann uns nicht verfolgen.
Mich befreit hattest du, da sucht‘ den Gegner ich,
Den Prinzen von Palermo!
BERTRAM.
Nun denn?
ROBERT.
Verruchtes Los!
Ich bin besiegt! – Mein Schwert,
Ha der Schande, verriet im Kampfe treulos mich,
Wohin ich blicke, Verrat!
BERTRAM.
Doch nur nicht ich, der dich liebt,
Der dein Glück einzig will,
Verstehst du es denn nicht? –
Ja, weil du allzurasch jenen Zweig
Dort zerbrochen, dessen Kraft
Die Geliebte erwerben dir sollte,
Ward sie des andern Teil.
ROBERT.
Wie entreiß‘ ich sie ihm? Durch welche Macht? Rede!
BERTRAM.
Nur eins kann Rache dir gewähren.
ROBERT.
Was es sei, ich ergreif's!
BERTRAM.
Unser sei! – Mir gehör‘!
Eine Schrift sei für uns deiner Treu Unterpfand.
ROBERT verzweifelt.
Gewährt sie mir die Rache, bin ich dein! –
Reiche – sie mir!

Er hält ihm die Hand entgegen.

Bertram zieht schnell ein Pergament hervor.

Man hört die Orgel aus dem Innern der Kirche.

Robert macht eine Wendung nach hinten und hält bestürzt inne.

BERTRAM.
Was ist's? Bist wankend du geworden?
ROBERT zuhörend.
Hörst du nicht Orgelklang?
BERTRAM.
Was kümmert der uns wohl?
ROBERT innig.
Leis erwacht die Erinnrung an meine Kinderjahre,
Da mich in ihr Gebet die fromme Mutter schloß!

Weinend im Gedenken der Mutter.

Die teure Mutter! O Mutter! O Mutter! weh mir!
PRIESTER im Innern der Kirche.
Heil der ewigen Liebe!
CHOR DER MÖNCHE UND NONNEN ebenso.
Heil der ewigen Liebe!
PRIESTER.
Heil dem Gotte der Macht!
ROBERT kräftig.
Es ist Gott selber, der den Sünder jetzt ruft,
Der nah am Abfall war.
CHOR DER MÖNCHE UND NONNEN wie oben.
Heil dem Gotte der Macht!
PRIESTER ebenso.
Der die Unschuld gerettet –
BERTRAM für sich.
Fort von hier, sonst droht mir Gefahr!

Laut zu Robert, indem er seine Hand fassen will.

Glaub‘ dem Freund, folge mir geschwinde!
CHOR DER MÖNCHE UND NONNEN wie oben.
Der die Unschuld gerettet!
PRIESTER ebenso.
Aus der Verführung Nacht!
ROBERT hinhorchend und abwehrend.
Hörst du nichts?
BERTRAM.
Denk‘ an deinen Schwur!
PRIESTER wie oben.
Aus der Nacht!
CHOR DER MÖNCHE UND NONNEN ebenso.
Aus der Verführung Nacht!
ROBERT.
Ach, könnt‘ ich beten nur!
BERTRAM beiseite.
Er ist schon tief erschüttert, jetzt gilt's Entschlossenheit!
ROBERT tief ergriffen.
O du Harmonie des Himmels!
O du Klang, frommen Seelen nur geweiht!
Frevle Wut, die mir im Herzen tobte,
Weicht der Ruh‘, trauert der verlornen Zeit!
BERTRAM für sich.
Blinde Wut mög‘ ihn fassen! Rach‘ und Liebe im Streit!
Ja, jetzt gilt's, jetzo gilt's, jetzo gilt's!
Blinde Wut mög‘ ihn fassen, Rach‘ und Liebe im Streit!
PRIESTER wie oben.
Heil der ewigen Liebe!
CHOR DER MÖNCHE UND NONNEN ebenso.
Liebe und Glück schaue dein Blick, huldvoll geneigt!
ROBERT wie oben.
Höhrer Sphärenharmonieen!
PRIESTER wie oben.
Heil dem Gotte der Macht!
CHOR DER MÖNCHE UND NONNEN ebenso.
Und beut dem Paar, das heut‘ vermählt, nur Segen dar!
ROBERT wie oben.
Klang, den Sel'gen nur geweiht!
PRIESTER wie oben.
Der die Unschuld gerettet aus der Verführung Nacht!
CHOR DER MÖNCHE UND NONNEN ebenso.
Liebe und Glück schaue dein Blick, huldvoll geneigt!
Gott, sei huldvoll uns geneigt!
ROBERT tiefinnerlich.
Verlorne Seligkeit!
PRIESTER wie oben.
Liebe und Glück schaue dein Blick, huldvoll geneigt!
CHOR DER MÖNCHE UND NONNEN ebenso.
Heil, ja Heil –
BERTRAM flehend.
O folge mir!
ROBERT wie oben.
O Wonneklang!
BERTRAM.
O folge mir! komm! komm! folge mir!
ROBERT.
Gottes Stimme ruft dem Sünder noch Vergebung zu!
PRIESTER wie oben.
Und beut dem Paar, das heut‘ vermählt, nur Segen dar!
Bringe Segen ihnen dar!
CHOR DER MÖNCHE UND NONNEN ebenso.
Der ewigen Liebe,
Heil dem Gott der Macht!
PRIESTER, MÖNCHE UND NONNEN wie oben.
Ehr‘ sei Gott!
ROBERT UND BERTRAM.
Dies ist Gott!
PRIESTER, MÖNCHE UND NONNEN wie oben.
Gott der Macht!
ROBERT.
Ja, nur Gott!
BERTRAM.
Ja, er ist's!
PRIESTER, MÖNCHE UND NONNEN wie oben.
Ehr‘ sei Gott!
ROBERT andächtig.
Gott! er ist zugegen!
BERTRAM ihn umschlingend.
Weh mir, es ist Gott!

Recitativ.

BERTRAM.
Der Gesang muß dein Herz wohl tief und schwer bewegen;
Dem Nebenbuhler Glück erflehn vom Himmel sie.
ROBERT.
Was sagst du?
BERTRAM.
Warum flehst du nicht auch dort um Segen
Für ihn, den Räuber deiner Braut?
ROBERT.
Ha, dieses Wort weckt Zorn in mir und Rache!
In dir erkenn‘ ich meinen Feind!
BERTRAM.
Wie, ich! ich wär‘ dein Feind? –
Ich! der einzig dich liebt? –
Ich, der in Streit und Kampf
Deine Jugend beschützte,
Ich, der der Erde Schätze
So gerne dir gönnte,
Mich nennst du deinen Feind?
ROBERT.
O Gott! wer bist denn du?
BERTRAM.
Ruft dir es diese Angst, diese Glut denn nicht zu,
Die das Herz mir durchströmt?
Hast du heut‘ nicht gehört,
Heute früh, wo Raimbaud dir hat erzählt
Die Kunde von dem Los deiner Mutter?
Ach, er sprach nur zu wahr!
ROBERT.
Gott!
BERTRAM.
Sie liebte einst mich, ja, sie ward meine Gattin.
ROBERT.
Was hör‘ ich?
BERTRAM.
Wähle nunmehr, Robert! jetzt kennst du mich!
ROBERT.
Wehe mir! Welche Schreckenskunde!

Nr. 22. Arie.

BERTRAM.
Ich täuschte dich, ich war der Schuld'ge!
Um sichrer deiner so zu sein,
An mein Los dich zu reihn,
Ja dich, mein einzig Glück,
Mißbraucht‘ ich dein Gefühl,
Reizte dich bis zum Wüten!
Doch sei nun frei, und mir gebieten
Magst du als Sklave von heute fortan!
Mir nur gehorcht dein Nebenbuhler,
Die Gestalt nahm ein Dämon an!
Sprich ein Wort und er soll verschwinden,
Als Gattin sie liebend dir nahn!
Geh! flieh! flieh, da du's kannst!
Flieh den Vater, flieh den Bösen, da du's kannst!
Doch wisse auch, vor Mitternacht,
Wenn du nicht unterschreibst
Den Pakt, den nichts kann lösen,
Der für die Ewigkeit uns dann beide vereint,
Sind getrennt ewig wir!
So hat der Gott, der mich verfolgt,
Unwandelbar geboten!
Du allein kannst entscheiden
Dein Geschick, so wie meins.
Mein Sohn! Robert! O Seele meines Seins!
Du allein kannst entscheiden
Dein Los, so wie meins!
Ja! nur du, du allein! mein Sohn!

Recitativ.

ROBERT.
Das Urteil ist gefällt,
Die Hölle hat gesiegt!
Fürchte nicht, daß ich dich verlasse!

Das Landmädchen Alice kommt mit dem Allegro agitato von links; sie trägt das Testament aus dem ersten Aufzug bei sich.

Dritter Auftritt.

Robert rechts. Alice in der Mitte. Bertram links.

ALICE hat die letzten Worte gehört.
Robert? Was hörte ich?
BERTRAM.
Was hat dich hergeführet?
ALICE zitternd.
Eine fröhliche Botschaft!

Für sich.

Ach, kaum noch kann ich atmen!

Zu Robert.

Euch lacht neu jetzt das Glück,
Fest dürft Ihr ihm vertraun,
Dem Himmel dankt, der Euch so huldvoll schützet.
Der Prinz von Granada und sein Gefolge konnte
Die Schwelle nicht der Kirche überschreiten.
ROBERT.
Ja, ich weiß.
ALICE.
Und die edle Prinzessin, durch Zauber
Euch entrissen, harret Euer am Altar.
BERTRAM zu Robert.
Geh! du mußt nun hinweg!
ALICE sich an Robert wendend.
Verlassen sie? Das könntet Ihr?
Habt Ihr denn jenen Schwur,
Der Euch bindet, vergessen?
BERTRAM zu Robert.
Es ist Zeit! laß uns eilen!
Bald schlägt die Stunde dir!

Nr. 23. Terzett.

ROBERT zu Bertram.
Was nun beginnen? –
Dein Gebot ist dem Sohne heilig!
ALICE für sich, indem sie hinter Robert weg auf seine rechte Seite tritt.
O Gott! Was umgarnt ihn so sehr?

Zu Robert.

O denk‘ an deinen Schwur!
ROBERT.
O schweige!
ALICE.
An deinen Schwur!
ROBERT.
Einer höhern Pflicht ich mich weihe!
ALICE mit Unwillen.
Einer Pflicht, die mehr als die Ehr‘?
Allmächt'ger Gott! Gott der Gnade!
Richte du den Vaterblick in sein Herz,
Es zu lenken zu dem frühern Glück.
BERTRAM.
Welche Qual! welche Angst!
Keine Gnade, mein Sohn, mein einz'ges Glück!
Meinem Flehen Erhörung jetzt schenke
Mit der Kindesliebe Blick!

Mit Angst.

Mit der Liebe! mit der Liebe!
Mit dem kindlichen Blick!
ALICE für sich.
Mächt'ger Gott, Gott der Gnade,
Richte du deinen Blick
In sein Herz, es zu lenken
Zu dem frühern Glück! –
Gott! mächt'ger Gott!
Allmächt'ger Gott!
Lenke du, lenke sein Herz hin zum Glück!
Lenke ihn zum frühern Glück,
Lenke ihn, o lenk‘ ihn zum Glück!
ROBERT für sich.
Welche Qual! keine Gnade?
Ach, zerstört ist mein Glück!
Untergang, wohin ich lenke
Meinen wehumflorten Blick.
Schrecken beut sich und Grauen
Meinem starrenden Blick,
Der Untergang, wohin ich nur lenke,
Nur lenke meinen Blick!
Meinen wehumflorten Blick,
Meinen Blick!
BERTRAM für sich.
Welche Qual! keine Gnade!

Zu Robert.

O mein Sohn, mein einz'ges Glück,
Meinem Flehn gieb Gehör!
Mit der Liebe, mit der Kindesliebe Blick!
Mein Sohn, welche Qual, keine Gnade!
O mein Sohn, du mein einz'ges Glück!
Meiner Bitte gedenke,
Mein Sohn mit dem kindlichen Blick!
Mit der Kindesliebe Blick! –

Ein schwarzes Pergament hervorziehend.

Dies die Schrift, die auf ewig dich bindet,
Die nur allein deine Treue verbürgt.
ALICE.
O Robert, deinen Schwur!
ROBERT.
Dies die Schrift, die auf ewig mich bindet.
ALICE.
Deinen Schwur! deinen Schwur!
ROBERT.
Unterzeichnen will ich sie! Unterzeichnen will ich sie!
BERTRAM.
Eilen wir!
ROBERT.
Gieb sie mir.
ALICE mahnend.
Deinen Schwur, Robert, deinen Schwur!
ROBERT.
Unterzeichnen will ich sie! Unterzeichnen will ich sie!
BERTRAM.
Eilen wir!
ROBERT.
Gieb sie mir.
ALICE mahnend.
Deinen Schwur, Robert, deinen Schwur!
ROBERT.
O schweige! Einer höhern Pflicht
Ich weiche hier –
BERTRAM.
Robert – nun fort!
ALICE unmutig.
Einer Pflicht, die mehr als die Ehr‘?

Mahnend.

Robert! Robert!
ROBERT.
Ja, hier ich weiche! drum schweige! o schweige!
BERTRAM.
Eilen wir! Nun fort! Robert!
Nun fort! Nun fort!
ALICE.
O Himmel, steh mir bei!
ROBERT die Hand nach dem Pergament ausstrec kend, zu Vertram.
Gieb sie mir!
ALICE zieht in demselben Augenblick, wo Robert nach dem Pergament sgreift, den Brief der Mutter hervor.
Sieh hieher!
ROBERT.
Gieb sie mir!
ALICE.
Undankbarer! Undankbarer! Da lies!

Sie drängt ihm das Testament auf.

ROBERT nimmt und wirft einen Blick hinein.
O Gott, dies die Hand meiner Mutter! O Gott!
BERTRAM knirschend für sich.
O verdammt!
ROBERT liest mit bebender Stimme das Testament.
»O mein Sohn, Mutterlieb‘ kann nicht sterben,
Wacht über dir im Himmelslicht!
Traue dem Mann, o trau‘ ihm nicht,
Der einst mich stürzte ins Verderben.«

Das Blatt entfällt seiner zitternden Hand.

Alice nimmt es auf.

BERTRAM.
Ha, wie? Dein Herz? Es wankt noch in der Wahl?
ROBERT.
Ich bebe, tief bewegt! – Entscheidung drängt! O Qual!

Er wendet sich nach hinten, so daß er mit dem Rücken gegen das Publikum steht.

ALICE liest feierlich das Testament vor.
»Mein Sohn, mein Sohn, die Mutterlieb‘ kann nicht sterben,
Wacht über dir im Himmelslicht!«
BERTRAM.
Mein Sohn, mein Sohn, laß trostlos mich nicht sterben,
Sieh meine Pein, meine Pein, verlaß mich nicht!
ALICE liest.
»Traue dem Mann, o trau‘ ihm nicht«
BERTRAM.
Schwankt denn dein Herz bei deiner Pflicht?
ALICE liest.
»Der einst mich stürzte ins Verderben!«
BERTRAM.
Sieh meine Pein, verlaß mich nicht!
ROBERT.
Erbarmt euch meiner Pein!
BERTRAM kniet.
Sieh mich denn –
ALICE.
Blick auf Gott –
BERTRAM.
Knieend hier!
ALICE.
Der dein harrt!
ROBERT.
Erbarmt euch meiner Pein!
BERTRAM.
Sieh mich denn –
ALICE.
Blick auf Gott!
BERTRAM.
Knieend hier!
ALICE.
Der dein harrt!
ROBERT.
Erbarmt euch meiner Pein!
BERTRAM.
Knieend hier!
ALICE.
Blick auf Gott!
BERTRAM.
Nun hinweg!
ALICE.
Der dein harrt!
ROBERT.
Erbarmt euch meiner Pein!
BERTRAM.
Mein Sohn!
ALICE.
Blick auf Gott!
ROBERT.
Erbarmt euch meiner Pein!
BERTRAM.
Mein Sohn!
ALICE.
Der dein harrt!
ROBERT.
Erbarmt euch meiner Pein!
BERTRAM.
Mein Sohn!
ALICE.
Ach!

Bertram faßt Roberts Hand und will ihn mit Gewalt zu sich hinziehen.

ALICE sucht Robert zurückzuhalten, zeigt ihm das Testament.
»Mein Sohn, mein Sohn,
Die Mutterlieb‘ kann nicht sterben,
Wachet, wacht über dir im Licht.« –

Für sich.

Wie? Sein Herz schwankt in der Wahl!
Ha! wozu entschließt er sich? – O Gott! – Ha!
ROBERT für sich.
O welche Qual! wohin den Blick ich lenke,
Untergang nur für mein Glück! –
Ach, ich zittre, welche Qual! – Ich zittre!
BERTRAM.
Mein Sohn, mein Sohn,
Des Kindes Blick mir schenke,
Sich meine Qual, meine Qual, verlaß mich nicht!

Für sich.

Wie? Sein Herz schwankt in der Wahl? –
Ha, wozu entschließt er sich? – Mein Sohn?
ALICE.
Mächt'ger Gott! Gott der Gnade,
Richte du, richte du den Vaterblick
In sein Herz, es zu lenken
Zu dem frühern Glück.
Mächt'ger Gott der Gnade,
Richte du den Blick
In sein Herz, es zu lenken
Zu dem früheren Glück.
Sieh auf Gott, der dein harrt,
Blick auf Gott, der dein harrt!
Komm! komm! komm! komm! komm! komm!
ROBERT.
Untergang – wo ich lenke hin
Den wehumflorten Blick!
Welche Qual! wo ist Gnade!
Ach, zerstört ist mein Glück!
Untergang und Verderben
Zeigen sich meinem Blick!
Nur in Nacht starrt mein Blick!
Welche Qual! – Welche Qual!
Ich zittre tief erregt!
Entscheidung drängt!

In Verzweiflung.

Ach, erbarmt euch mein!
Erbarmt, erbarmt euch doch!
Erbarmt euch mein!
Erbarmt, erbarmt euch mein!
BERTRAM zu Robert.
Nun entscheide,
O verlaß mich nicht, verlaß mich nicht!
Welche Qual, keine Gnade!
O mein Sohn, du mein Glück!
Meinem Flehn schenk‘ Erhörung
Mit dem kindlichen Blick.
Fort! hinweg! hinweg! hinweg!
Nur fort den Augenblick!
Sohn, sieh mich vor dir knieend hier,
Sieh mich vor dir knieend hier,
Sieh mich doch knieend hier!
Komm! komm! komm! komm! komm!

Es schlägt zwölf Uhr.

Donner, Einschlag.

Tiefe Nacht.

ALICE.
Mitternacht! O welch Glück!
O welches Glück!
ROBERT.
Ha! – Erbarmt euch mein!
BERTRAM erhebt sich.
Ha, Rächer, Gott, der Sieg ist dein!

Er versinkt unter Dampf und Flammen.

Robert fällt tief erschüttert zu Alices Füßen nieder.

Alice zieht ihn liebevoll zu sich empor.

Der Mittelvorhang öffnet sich mit dem Harfeneinsatz.

Es wird ganz hell.

Es zeigt sich das Innere der erleuchteten Kirche mit den Personen der Vermählungsceremonie.

Vierter Auftritt.

Der König von Sicilien. Isabelle. Robert. Alice. Raimband. Die Personen der Vermählungsceremonie.

Trabanten, Ritter und Hofdamen treten vor.

Isabelle harrt mit dem König am Altar.

Der Erzbischof, Weihebischöfe, Priester, Chorknaben mit Lichtern und Räuchergeräten, ebenso.

Sechs Königspagen mit Lichtern, gehen paarweise und in weitem Abstand gerade aus.

Alice führt Robert zwischen ihnen hindurch, Isabelle zu.

Robert reicht Isabelle die Hand und beide empfangen knieend den Segen des Erzbischofs.

Erzbischof vollzieht die Trauung.

Nr. 24. Finale.

RAIMBAND, ALICE, CHOR DER ENGEL.
Singet, Chöre sel'ger Engel,
Singet, heil'ge Cherubim!
CHOR DES VOLKES.
Ruhm und Preis dem Allmächt'gen!
RAIMBAND, ALICE, CHOR DER ENGEL.
Singet, Chöre sel'ger Engel!
CHOR DES VOLKES.
Singt ihm, Mensch und Cherubim!
CHOR DER ENGEL.
Singet laut, Cherubim!
CHOR DES VOLKES.
Er ist treu doch geblieben!
CHOR DER ENGEL.
Nun steht da er, treu verblieben!
CHOR DES VOLKES.
Der Herr verzeihet ihm!
CHOR DER ENGEL.
Der Himmel offen ihm!
CHOR DES VOLKES UND DER ENGEL.
Ehr‘ sei Gott! Preis ihm und Ehre! Ehr‘ sei Gott!