Der Schimmelreiter

Wilfried Hiller

Schon vor meiner Kindheit begonnen und hoffentlich im Februar beendet haben werde ich eine andere Erzählung. Sie heißt Der Schimmelreiter und spielt irgendwo hinter den Deichen in der nordfriesischen Marsch. Nur leider – ich weiß nicht, ob ich noch die rechte Kraft hatte, den Stoff zu zwingen."

Theodor Storms Brief vom 9. Dezember 1887 an Gottfried Keller kündigt die wohl bekannteste und erfolgreichste Novelle des zwischen Romantik und Naturalismus schwankenden Norddeutschen an, ein Spätwerk, dessen folgenreiche Verfilmung 1933 den deutschen Mythos von der Schwere und Opferbereitschaft nordischen Geistes begründen half. Der Schimmelreiter ist den meisten Literaturbeflissenen eher als Filmdrehbuch denn als magisches Schriftstück vor Augen; angereichert mit einer Vielzahl von Bildern, deren Idyllik in die falsche Richtung führt. Storm hat durchaus kein Naturepos verfaßt, keine neue "Husumerei", wie ihm Fontane vorwarf; zum Zentrum wird ihm die Auseinandersetzung zwischen Hauke Haien, dem Fortschrittsgläubigen und zögernden Neuerer und der Enge und Dumpfheit der Welt, an der Aufgabe und Glück zerschellen müssen.

Eben diesen Konflikt nimmt die szenische Umarbeitung Andreas K. W. Meyers, leitender Musikdramaturg der Kieler Bühnen, wieder auf. In der Verkürzung auf knappe, filmschnittartig montierte Szenen werden die Motive konzentriert erkennbar. Aberglaube und Tradition bestimmen den Alltag des Dorfes im Nirgendwo, geistige und materielle Abhängigkeit die Beziehungen der wenigen handelnden Personen. Elke Volkerts, Hauke Haien und Ole Peters sind die Protagonisten eines archaischen Dreiecks, in dem jeder auf seine Art verlieren muß.

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